Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(01): 13
DOI: 10.1055/a-2507-2046
Journal Club
Neonatologie

Überleben von Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 22–25 Wochen

Edwards EM. et al.
Survival of Infants Born at 22 to 25 Weeks‘ Gestation Receiving Care in the NICU: 2020–2022.

Pediatrics 2024;
154: e2024065963
DOI: 10.1542/peds.2024-065963
 

    Die aktive Behandlung extremer Frühgeborener mit einem Gestationsalter (GA) von 22+0 bis 25+6 Schwangerschaftswochen (SSW) hat in den letzten Jahren zugenommen. Erhielten z.B. Frühgeborene mit einem GA von 22 Wochen in den Jahren 2013–2018 in 10,9% der Fälle medizinischen Support, galt dies in den Jahren 2020–2022 für 35,4%. Die Überlebenschancen extremer Frühgeborener haben sich mit den Behandlungsoptionen stetig verbessert, die Überlebensrate ist entsprechend gestiegen.


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    Studien zu dieser Entwicklung gibt es nur wenige, obwohl die Behandlung dieser vulnerablen Population sowohl dem medizinischen Personal als auch den Eltern oft schwere Entscheidungen abverlangt. Nicht nur die ungewisse Prognose, auch die emotionale und soziale Situation der Betroffenen müssen bedacht werden. Eine US-amerikanische Studie unter Leitung von E. M. Edwards evaluierte nun die Daten von Frühgeborenen von 22+0 bis 25+6 SSW aus einer großen Anzahl von NICUs (neonatal intensive care unit) in den USA. Die Untersuchung, die den Zeitraum von Januar 2020 bis Dezember 2022 umspannte, basierte auf Daten des Vermont Oxford Netzwerks (VON), einer weltweiten Vereinigung von Forschern zum Wohle von Neugeborenen, der u.a. 3- und 4-Level-NICUs aus diversen US-Staaten angeschlossen sind. Diese Zentren hatten Angaben zu postnatal lebenserhaltenden Interventionen bei der definierten Studienpopulation und zu den daraus folgenden klinischen Ergebnissen gemacht. Als Maßnahmen, die dem Überleben unmittelbar dienten, galten invasive und nichtinvasive Beatmungstechniken, Surfactant- oder Epinephrin-Anwendungen. Primärer Studienendpunkt war das Überleben bis zur Entlassung. Sekundäre Endpunkte waren die für Frühgeborene typischen Komplikationen wie intraventrikuläre Blutung, periventrikuläre Leukomalazie, bronchopulmonale Dysplasie, nekrotisierende Enterokolitis, intestinale Perforation, Late-onset-Sepsis sowie die Aufenthaltsdauer und der Bedarf an technischer Unterstützung bei Entlassung. Die Analyse ergab Folgendes:

    • Aus 636 NICUs der Kategorie 3–4 wurden Daten von insgesamt 22 953 für die Studie geeigneten Frühgeborenen übermittelt (SSW 22: n=2765, SSW 23: n=5349, SSW 24: n=6933, SSW 25: n=7903).

    • Von den Frühgeborenen der vollendeten 22. SSW kamen 78,2% auf vaginalem Weg zur Welt, nach vollendeten 23, 24 und 25 SSW waren es 40,2%, 27,2% und 24,2%. Nur 40,7% der Frühgeborenen der 22. SSW waren durch antenatale Steroid- bzw. Magnesiumsulfat-Verabreichungen auf die Frühgeburt vorbereitet. Im Vergleich dazu erhielten die nach vollendeten 23, 24 und 25 SSW geborenen in 72,3%, 77,1% und 79,3% eine entsprechende Prophylaxe.

    • Die Bereitstellung und Anwendung von postnatalen Intensivmaßnahmen betrug 68,0%, 95,3%, 99,1%, und 99,8 für Frühgeborene der vollendeten 22., 23., 24. und 25. SSW.

    • Das Verhältnis von therapierten Frühgeborenen der vollendeten 22. SSW wuchs von 61,6% im Jahr 2020 auf 73,7% im Jahr 2022, während es in diesem Zeitraum für Frühgeborene der 23. bis 25. SSW unverändert blieb.

    • Von den Patienten der 22. SSW überlebten 24,9%, von den Frühgeborenen der 23., 24. und 25. SSW überlebten 52,8%, 71,1%, und 82,1%.

    • Überleben ohne schwere Komplikationen wurde von 6,3% der Fälle der vollendeten 22. SSW berichtet und von 43,2% der vollendeten 25. SSW. Je unreifer die Frühgeborenen waren, desto häufiger benötigten sie technische Hilfsmittel bei der Entlassung. Die mittlere Aufenthaltsdauer betrug 160 bzw. 110 Tage für Frühgeborene der 22. bzw. 25. SSW.

    Die Studienergebnisse demonstrieren, dass das Überleben mit aktiver medizinischer Unterstützung bei Frühgeborenen der vollendeten 22. SSW zunehmend möglich ist, dass die Resultate in Bezug auf schwere Krankheiten mit dem Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen aber noch nicht befriedigend sind. Frühgeborene der vollendeten 23. bis 25. SSW haben dagegen insgesamt bessere Chancen; diese steigen signifikant mit jeder Gestationswoche.

    Fazit

    Fortschritte in der neonatologischen Intensivmedizin erlauben inzwischen die aktive Behandlung von Frühgeborenen ab einem Gestationsalter von 22 Wochen+0 Tagen. Das Therapiemanagement bleibt aber eine Herausforderung. Von den Frühgeborenen der vollendeten 22. SSW, die nach der Geburt lebenserhaltende Maßnahmen erhalten hatten, erreichten zwar 24,9% die Klinikentlassung, aber nur 6,1% gingen ohne Folgekomplikationen nach Hause. In der vorgelegten Analyse waren außerdem, wie von dem Autorenteam bemerkt, die Effekte sozialer Ungleichheiten und differierender Versorgungsstandards zu erkennen.

    Dr. med. Dr. phil. R. Maria Clauss, Lappersdorf/Regensburg


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    Publication History

    Article published online:
    06 February 2025

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