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DOI: 10.1055/a-2502-0428
Cannabiskonsum begünstigt Schwangerschaftskomplikationen
Prenatal Cannabis Use and Maternal Pregnancy Outcomes.
JAMA Intern Med 2024;
184 (09) 1083-1093
DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.3270
Im Zuge der Cannabis-Legalisierung in den USA greifen auch immer mehr werdende Mütter auf entsprechende Präparate zurück. Der präpartale Cannabiskonsum begünstigt nachweislich fetale und neonatale Komplikationen (z. B. geringeres Geburtsgewicht, Frühgeburt, Aufnahme auf die Neugeborenenintensivstation). Wie er sich auf die Gesundheit der Mütter auswirkt, wurde dagegen bislang kaum untersucht. Eine US-Studie schließt nun diese Wissenslücke.
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Ein US-Forscherteam um Kelly Young-Wolff analysierte im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie die Daten des Gesundheitsfürsorgeunternehmens Kaiser Permanente Northern California. Das Studienkollektiv umfasste 250 221 Frauen, die zwischen 2011 und 2019 316 722 Einlingsschwangerschaften bis mindestens 20 Gestationswochen ausgetragen hatten. In Kalifornien ist medizinisches Cannabis seit 1996 zugelassen. Die Legalisierung von Cannabis erfolgte 2016, und seit 2018 können Erwachsene Cannabis käuflich erwerben. Alle Studienpatientinnen hatten zwischen 8 und 10 Schwangerschaftswochen Angaben zum Cannabiskonsum („täglich“, „wöchentlich“, „monatlich oder seltener“, „nie“) gemacht und sich zusätzlich einem Screening auf THC (Tetrahydrocannabinol) im Urin unterzogen. Anhand der medizinischen Dokumentation objektivierten die Forschenden folgende maternalen Outcome-Parameter: Gestationshypertonie, Präeklampsie, Eklampsie, Gestationsdiabetes, zu geringe bzw. zu starke Gewichtszunahme, Placenta praevia, vorzeitige Plazentalösung, Placenta accreta sowie 21 schwere maternale Morbiditäten. Anschließend prüften sie, inwiefern der Cannabiskonsum für diese Endpunkte prädisponierte.
Ergebnisse
Bei insgesamt 20053 (6,3%) Schwangerschaften lag ein präpartaler Cannabiskonsum vor – sei es, weil die betroffenen Frauen diesen eingeräumt hatten, oder, weil das toxikologische Screening positiv ausgefallen war. In 2,9% der Fälle hatten die Schwangeren den Konsum im Fragebogen bejaht, in 5,3% der Fälle lag ein positives toxikologisches Ergebnis vor, und in 1,8% der Fälle traf beides zu. 1930 Frauen (0,6%) berichteten über einen täglichen, 2345 (0,7%) über einen wöchentlichen und 4892 (1,5%) über einen monatlichen oder selteneren Konsum. 10 886 Schwangere (3,4%) hatten den Konsum verneint, wiesen aber ein positives Screeningergebnis auf. Die Analyse unter Berücksichtigung zahlreicher potenzieller Störvariablen ergab: Der Cannabiskonsum während der Schwangerschaft ging mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine Gestationshypertonie (adjustierte Risk Ratio/aRR 1,17; 95% KI 1,13–1,21) und für eine Präeklampsie (aRR 1,08; 95% KI 1,01–1,15) einher. Er korrelierte zwar mit einem signifikant geringeren Gestationsdiabetesrisiko (aRR 0,89; 95% KI 0,85–0,94), begünstigte aber sowohl eine unter- (aRR 1,05; 95% KI 1,01–1,08) als auch eine überdurchschnittliche (aRR 1,09; 95% KI 1,08–1,10) Gewichtszunahme. Cannabiskonsumentinnen erlitten zudem signifikant häufiger eine vorzeitige Plazentalösung (aRR 1,19; 95% KI 1,05–1,36). Abschließend wiederholten die Forschenden die Analysen für unterschiedliche Kriterien des Cannabiskonsums. Sowohl bei ausschließlicher Berücksichtigung des Befragungsergebnisses als auch eines positiven toxikologischen Befundes änderte sich jedoch nichts an den zuvor beobachteten Zusammenhängen.
Der Cannabiskonsum während der Schwangerschaft gefährdet die Gesundheit der werdenden Mutter, schlussfolgern die Forschenden. Weitere Untersuchungen müssen nun ihrer Ansicht nach die Kausalitätsfrage klären und die den Beobachtungen zugrunde liegenden Mechanismen beleuchten. Weiterhin sei zu prüfen, welche Folgen der Konsum in den verschiedenen Schwangerschaftstrimestern hat, und welche Rolle dabei die Applikationsweise und die Stärke der Cannabisprodukte spielen.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
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Studienkommentar
Lo JO, Spong CY. Associations Between Prenatal Cannabis Use and Maternal Health Outcomes. JAMA Intern Med 2024; 184 (9): 1093–1094. DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.3276
In den vergangenen 2 Jahrzehnten hat sich der Cannabiskonsum werdender Mütter mehr als verdoppelt, berichten Jamie Lo von der Universität in Portland/Oregon und Catherine Spong von der Universität in Dallas/Texas. Die Legalisierung hat den Zugang zu Cannabis erleichtert und vermittelt ein Gefühl der Unbedenklichkeit. Obwohl das American College of Obstetricians and Gynecologists vom Konsum während der Schwangerschaft abrät, behandeln viele Schwangere Übelkeit, Schlafstörungen, Schmerzen und Stress mit Cannabis – insbesondere im ersten Trimenon, der Phase mit der größten Vulnerabilität des heranwachsenden Kindes. Das ist deshalb problematisch, weil THC, die psychoaktive Hauptkomponente von Cannabis, die Plazentaschranke überwindet. Cannabis schadet allerdings offenbar nicht nur den Ungeborenen, sondern auch ihren Müttern, wie die Untersuchung von Young-Wolff zeige. Die beiden Kommentatorinnen kritisieren allerdings, dass im Rahmen der Studie nicht untersucht wurde, inwiefern die Cannabis-Legalisierung in Kalifornien, deren Zeitpunkt in den Studienzeitraum fiel, sich auf die Studienendpunkte auswirkte. Weiterhin merken sie an, dass für die Endpunkte Placenta praevia und Placenta accreta – im Gegensatz zur Plazentainsuffizienz – kein plausibler pathophysiologischer Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum existiert. Bekannte Risikofaktoren wie vorangegangene Kaiserschnitte seien dagegen nicht berücksichtigt worden. Ein weiteres Manko: Verschiedene andere Drogen, die häufig gemeinsam mit Cannabis konsumiert werden, blieben bei der Analyse ebenfalls unberücksichtigt. Insgesamt sehen die Kommentatorinnen erheblichen weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich der Auswirkungen des Cannabiskonsums während der Schwangerschaft auf die Gesundheit von Mutter und Kind.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
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Publication History
Article published online:
06 February 2025
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