Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(01): 10-12
DOI: 10.1055/a-2502-0391
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Geburtshilfe

Vaginale Beckenendlagengeburt: Vorhersage des Risikos für eine sekundäre Sectio

Lia M. et al.
Prediction of intrapartum caesarean section in vaginal breech birth: development of models for nulliparous and multiparous women.

J Perinat Med 2024;
52 (09) 960-969
DOI: 10.1515/jpm-2024-0161
 

Bei Schwangerschaften mit einem Einling in Beckenendlage (BEL) stellt sich die Frage nach dem Geburtsmodus. Die Entscheidung für oder gegen einen vaginalen Entbindungsversuch hängt insbesondere von den Erfolgschancen dieser Strategie ab. Ein Forscherteam der Universität Leipzig entwickelte nun verschiedene Modelle für Erst- und Mehrgebärende, die das Risiko für eine Sectio im Geburtsverlauf vorhersagen.


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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie die Daten von 262 Erstgebärenden und 230 Mehrgebärenden, die zwischen 2017 und 2021 an der Universitätsklinik Leipzig einen vaginalen Entbindungsversuch bei einem Einling in BEL unternommen hatten. Die Erstgebärenden hatten im Vorfeld im Gestationsalter zwischen 36 und 38 Schwangerschaftswochen eine Magnetresonanztomografie-basierte Pelvimetrie erhalten, bei welcher unter anderem die Conjugata vera (Conjugata obstetrica), also der Abstand zwischen der Hinterfläche der Symphyse und dem Promontorium, bestimmt wurde. Eine kurze Conjugata vera und ein hohes Geburtsgewicht des Kindes gelten – unter anderem – als Risikofaktoren für eine sekundäre Kaiserschnittentbindung bei vaginaler BEL-Geburt. Die wissenschaftliche Evidenz diesbezüglich sei allerdings, so die Forschenden, zum Teil widersprüchlich. Möglicherweise interagierten die beiden Faktoren in statistisch relevantem Ausmaß: Der Effekt des Beckenmaßes auf das Sectiorisiko komme möglicherweise nur bei hohen Geburtsgewichten zum Tragen. Diese Hypothese beleuchteten sie nun neben einer Reihe weiterer potenzieller Prädiktoren in ihrer Analyse. Als primären Studienendpunkt definierten sie dabei die intrapartale Sectioentbindung und als sekundären Endpunkt das kurzfristige neonatale Ergebnis (5-Minuten-Apgar-Score, arterieller pH-Wert, Basenexzess bei Geburt).

Ergebnisse

78 Erstgebärende (29,8%) und 23 Mehrgebärende (10%) erhielten eine sekundäre Sectio. Im Kollektiv der Nulliparae beobachteten die Forschenden folgendes: Die vaginal geborenen Kinder hatten einen signifikant niedrigeren arteriellen pH-Wert und Basenexzess als die per sekundärer Sectio geborenen. Bezüglich des 5-Minuten-Apgar-Scores unterschieden sich die beiden Gruppen jedoch nicht wesentlich. Bei den Mehrgebärenden hatte der Geburtsmodus dagegen keinen signifikanten Einfluss auf die Blutgase oder den Apgar-Wert. Mittels multivariater logistischer Regression entwickelten die Forschenden 3 Prädiktionsmodelle, die sie anschließend intern validierten. Das erste Modell betraf Nulliparae, hatte eine AUC (area under the curve) von 0,67 und umfasste folgende Prädiktoren: Epiduralanästhesie, Größe der Mutter, Geburtsgewicht ≥3,8 kg sowie einen Interaktionsterm, welcher den Effekt der Conjugata vera bei einem Geburtsgewicht ≥3,8 kg abbildet. Letzterer beschreibt, dass bei einem Geburtsgewicht ≥3,8 kg eine größere Conjugata vera die Chancen auf eine erfolgreiche Vaginalgeburt erhöht. Da die Bestimmung des Geburtsgewichts präpartal nur ungenau gelingt, ersetzten die Forschenden in einem Alternativmodell für Erstgebärende das Geburtsgewicht durch den sonografisch gemessenen fetalen Abdomenumfang (AU; Grenzwert 34 cm). Dieser Parameter floss ebenfalls in den Interaktionsterm ein. Dieses zweite Modell erreichte eine AUC von 0,68. Das Prädiktionsmodell für Mehrgebärende hatte eine AUC von 0,77 und fußt auf folgenden Parametern: Vorzeitiger Blasensprung, Epiduralanästhesie, mütterlicher Body-Mass-Index sowie Alter der Mutter.

Fazit

Die vorgestellten Modelle berechnen das Risiko für eine sekundäre Sectio bei vaginaler BEL-Geburt erstmals in Abhängigkeit von der Parität, so die Forschenden. Auch die Bedeutung der Conjugata vera sei nun geklärt: Bei einem Geburtsgewicht von weniger als 3,8 kg (oder einem fetalen AU < 34 cm) beeinflusst dieses Beckenmaß die Sectiorate offenbar nicht. Anders ausgedrückt: Steigendes Geburtsgewicht bzw. zunehmender AU wirken sich nicht auf die Sectiorate aus, sofern die Conjugata vera größer als 13 cm ist.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
06 February 2025

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