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DOI: 10.1055/a-2490-1146
Bisherige Ersteinschätzungssysteme zur Identifikation kritisch Kranker helfen in der Präklinik nicht
Prehospital early warning scores to predict mortality in patients using ambulances.
JAMA Netw Open 2023;
6: e2328128
DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.28128
- Großes Patientenkollektiv und viele Daten
- Nur geringe Sensitivität
- Vorhersagekraft der einzelnen Scores
Kritisch kranke Patienten bzw. solche mit einem hohen Risiko, sich rasch zu verschlechtern, sollen möglichst schnell erkannt und herausgefiltert werden, um negative Auswirkungen zu verhindern und das Behandlungsergebnis zu verbessern. Hierzu existieren diverse prognostische Instrumente zur Ersteinschätzung (EES), die bereits in der Klinik ihre Anwendung finden. Idealerweise werden schon in der Präklinik risikobehaftete Patienten identifiziert. Allerdings ist die Studienlage hierzu schwach bzw. erbrachte aus unterschiedlichsten Gründen keine eindeutigen Resultate.
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Um die Aussagekraft vorhandener EES zu untersuchen und belastbare Ergebnisse zu erhalten, sind großangelegte Studien an unselektionierten Patienten erforderlich.
Die Autoren beschäftigten sich mit der Fragestellung, inwieweit die bestehenden EES die Mortalität und den Aufenthalt auf Intensivstation bei unselektionierten Patienten anhand erster Vitalparameter im Rettungsdienst vorhersagen können.
Das Team von der Universitätsklinik Aalborg, Dänemark, untersuchte dazu
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den National Early Warning Score 2 (NEWS2),
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den modifizierten National Early Warning Score ohne Temperatur (mNEWS),
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den quick Sepsis related Organ Failure Assessment Score (qSOFA),
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das Rapid Emergency Triage and Treatment System (RETTS),
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die Danish Emergency Process Triage (DEPT).
Großes Patientenkollektiv und viele Daten
Sie erhielten die Daten von über 100 000 erwachsenen Patienten aus knapp 300 000 Rettungsdiensteinsätzen eines nördlichen dänischen Rettungsdienstbereiches. Deren Vitalparameter extrahierten sie aus der einheitlichen elektronischen Rettungsdienstdokumentation in Dänemark und berechneten daraus die Punktwerte der untersuchten EES. Diese bestanden aus den üblichen Messwerten wie Atem- und Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Vigilanz und Temperatur. Neben den kalkulierten Werten aus den Vitaldaten der ersten 10 min berechneten die Autoren die entsprechenden Score-Werte aus den letzten und schlechtesten Messwerten des Einsatzes. Den schlechtesten berechneten Punktwert des jeweiligen EES korrelierten die Forscher mit den zentral gespeicherten Krankenhausdaten in Bezug auf die Endpunkte:
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30-Tage- und 1-Tages-Mortalität,
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Aufnahme auf die Intensivstation.
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Nur geringe Sensitivität
Dabei vermochten die EES einen schwerwiegenden Verlauf nur mit mäßiger Empfindlichkeit vorherzusagen. Die größte Sensitivität hatten hierin der RETTS und die DEPT für die 30-Tage-Mortalität, für die 1-Tages-Sterblichkeit war sie bei allen geringer. Die Number Needed to Screen, d.h. die Anzahl an Patienten, die untersucht werden muss, bis man einen Patienten korrekt herausfiltert, reichte für diese beiden Endpunkte von 2,7 bzw. 9 (qSOFA) bis 8,5 (RETTS) bzw. 41,6 (DEPT) Patienten.
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Vorhersagekraft der einzelnen Scores
Schlechter als die übrigen EES traf der qSOFA eine Aussage über die 30-Tage-Mortalität, wobei sich die verbliebenen EES in ihrer Aussagekraft nicht relevant unterschieden – diese war auch nur mäßig. Die Vorhersagekraft für schwerwiegende Verläufe, gemessen an Aufnahme auf Intensivstation oder die Mortalität nach einem oder 30 Tagen war bei allen EES nur gering bis mäßig ausgeprägt. Die Autoren konnten zwar teilweise statistisch relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Scores ausarbeiten. Es stellt sich in Anbetracht der ohnehin schlechten Fähigkeiten, einen kritischen Verlauf zu detektieren, die Frage, ob dieser relevant ist.
Die Forscher stellen fest, dass ihre Ergebnisse, nämlich Patienten mit einem hohen Risiko eines schwerwiegenden Verlaufs zu erkennen, im Vergleich zu anderen Untersuchungen schlechter sind. Dies liegt ihrer Meinung nach jedoch an der Tatsache, dass sie alle Patienten aus den Rettungsdiensteinsätzen unselektioniert in die Analyse einbezogen.
In ihren Augen braucht der Rettungsdienst ein suffizientes EES, welches nicht nur Hochrisiko-Patienten filtert, sondern auch Patienten mit einem niedrigen Risiko ausweist. Darauf könnte das Personal dann seine Zuweisungsstrategie zu entsprechenden Krankenhäusern begründen.
Die bereits häufig in der Klinik eingesetzten Ersteinschätzungssysteme funktionieren im Rettungsdienst nur mäßig, da deren Vorhersagekraft dort begrenzt ist. Dies konnten die Autoren anhand eines großen, nicht selektionierten Patientenguts zeigen. Sie fordern neue Beurteilungssysteme, die auch in der Präklinik angewendet werden können und gefährdete Patienten sicher identifizieren.
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Dr. med. Marc-Michael Ventzke, Augsburg
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Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
11 February 2025
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