Gesundheitswesen 2025; 87(01): 7
DOI: 10.1055/a-2461-5107
Panorama
Gegen Einsamkeit

Soziales Fundraising als Chance gegen Einsamkeit. Erfahrungen der Selbsthilfegruppe „Gegen soziale Isolation“ Hamburg

 

„Hilf anderen, damit auch dir geholfen wird. Nur du allein kannst es, aber du kannst es nicht allein“

Das fünfte Gebot nach Opaschowski [1]

Worum geht es?

Wir handeln in unserer Selbsthilfegruppe nach dem Motto „Hilfsbereitschaft als Weg gegen Einsamkeit und soziale Isolation“. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Menschen die anderen helfen weniger einsam sind. Die gegenseitigen Hilfestellungen fördern z. B. die Dialogfähigkeit. Es entstehen neue Kontakte. Stephanie Brown (Sozialforscherin) von der Universität Michigan konnte feststellen, dass „soziale Kontakte zu einer signifikanten Minderung der Sterblichkeit um 21Prozent führen“ [2]. Die Breite der sozialen Kontakte ist von enormer Bedeutung; so plädiert Opaschowski für das Knüpfen sozialer Netze, damit Freunde und Nachbarn uns „...als soziale Konvois ein Leben lang begleiten können“ [1]. In unseren Sitzungen beobachten wir, dass viele Besucher sich für die Einsamkeits-Probleme der anderen sehr interessieren; diese Tendenz ist besonders bei den traumatisierten Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine festzustellen. Mit sozialem Fundraising meinen wir Mittelbeschaffung für einen sozialen Zweck [3], z. B. wenn eingeladene Dozenten in unserer Selbsthilfegruppe auf ihr Honorar verzichten, aber auch wenn unsere Teilnehmer eigene Zeit für andere spenden.


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Praktische Beispiele der gegenseitigen Hilfsbereitschaft in unserer Selbsthilfegruppe

Die Maxime „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ spielt in der Gruppe eine wichtige Rolle.

Konkret bedeutet das:

  1. Zu Beginn werden Telefonnummer und E-Mails ausgetauscht.

  2. Es wird oft diskutiert welche Ärzte man empfehlen kann.

  3. Einige erzählen von erlebten Krankheiten und Einsamkeit.

  4. Wo gibt es in Hamburg aktuelle günstige Kultur- und Erholungsangebote?

  5. Wie und wo kann man sich bewerben, um zügig eine eigene Wohnung zu bekommen? Dabei werden Kontakte zwischen Einheimischen und Migranten geknüpft nach dem Motto „Manche Menschen können nicht anders, als zu helfen“ Im Endeffekt handelt sich hier darum Migranten bei der Integration zu helfen.


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Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen?

Oft hören wir von den Besuchern, dass sie dankbar sind für die Möglichkeit, über ihre eigene Einsamkeit und soziale Isolation zu sprechen und über die daraus entstandene Erleichterung und Zufriedenheit. Der Austausch von Erfahrungen und die Möglichkeit sich gegenseitig zu helfen, ist ein Meilenstein für die praktische Bekämpfung von Einsamkeit und sozialer Isolation. Unvergesslich bleibt die Aussage eines Oberarztes, der in der Gruppe referierte und zum Schluss sagte: „Danke für die Einladung, auf Honorar werde ich selbstverständlich verzichten“ sowie einer Dozentin, die über Sterbebegleitung referierte und sagte: „Nein, Honorar kommt für mich nicht infrage, ich habe dies gerne ehrenamtlich getan.“ Mit diesen Beispielen möchte ich das „Unsichtbare des Guten“ für die Bewältigung der Einsamkeit hervorheben. Noreena Hertz bringt dies auf den Punkt, wenn sie von der „Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt spricht [4]. Hertzs Worte stimmen nachdenklich. In diesem Sinne suchen wir in unserer Selbsthilfegruppe nach dem Positiven das trägt, sinnstiftend, gemeinschaftlich und Kontakte fördernd wirkt.

Fazit

In der Selbsthilfegruppe spenden wir kein Geld (nur sporadisch eingeladene Dozenten bzw. Referenten), wir spenden aber anderen Teilnehmern Hoffnung aus Nächstenliebe. Durch soziale Kontakte, Austausch, Akzeptanz und Hilfsbereitschaft werden Menschen stärker an sich selbst und an die Gemeinschaft glauben. Auf diese Weise lässt sich Einsamkeit und soziale Isolation besser verstehen und in der Folge bewältigen.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Opaschowski HW. Das Moses Prinzip Die 10 Gebote des 21. Jahrhunderts. 4. Auflage. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus; 2007. ISBN 978-3-579-6947-0
  • 2 Spitzer M. Einsamkeit. Die Unerkannte Krankheit. Schmerzhaft, ansteckend, tödlich. München: Droemer Verlag; 2018. ISBN 978-3-426-27676-1
  • 3 Dörfner KW. Fundraising Coach. Systematisch und erfolgreich Spenden werben. Praxisberater für Vereine, Stiftungen, Verbände und Kirchengemeinden. Ostfildern: Fundraising-Coach Verlag, Kai W. Dörfner; 2022. ISBN: 978-3-9824306-0-7
  • 4 Hertz N. Das Zeitalter der Einsamkeit. Über die Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt. Aus dem Englischen von Sabrina Sandmann und Andrea Schnittmann übersetzt. 2. Auflage. Hamburg: Verlagsgruppe Harpert Collins Deutschland GmbH; 2021. ISBN 978-3-7499-0115-9

Publication History

Article published online:
15 January 2025

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Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Opaschowski HW. Das Moses Prinzip Die 10 Gebote des 21. Jahrhunderts. 4. Auflage. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus; 2007. ISBN 978-3-579-6947-0
  • 2 Spitzer M. Einsamkeit. Die Unerkannte Krankheit. Schmerzhaft, ansteckend, tödlich. München: Droemer Verlag; 2018. ISBN 978-3-426-27676-1
  • 3 Dörfner KW. Fundraising Coach. Systematisch und erfolgreich Spenden werben. Praxisberater für Vereine, Stiftungen, Verbände und Kirchengemeinden. Ostfildern: Fundraising-Coach Verlag, Kai W. Dörfner; 2022. ISBN: 978-3-9824306-0-7
  • 4 Hertz N. Das Zeitalter der Einsamkeit. Über die Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt. Aus dem Englischen von Sabrina Sandmann und Andrea Schnittmann übersetzt. 2. Auflage. Hamburg: Verlagsgruppe Harpert Collins Deutschland GmbH; 2021. ISBN 978-3-7499-0115-9