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DOI: 10.1055/a-2449-5780
Liebe Leser*innen der Adipositas
die langerwartete Aktualisierung der Adipositas-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) wurde im Herbst 2024 veröffentlicht und auf der Jahrestagung in Köln intensiv vorgestellt und diskutiert. Wir werden in Heft 02/2025 die Leitlinie vorstellen.
Derweil richtet das vorliegende Heft den Blick auf ein im Alltag immer häufigeres Thema, nämlich die Betrachtung des alten Menschen mit Adipositas. Die Zahlen sind klar, Deutschland wird immer älter. Und die Menschen und Patient*innen mit Adipositas, die wir in den vergangenen Jahren immer im Blick hatten, werden es auch. Damit mehren sich klinische Probleme, denn zu den uns allen bekannten Adipositas-assoziierten Erkrankungen treten zukünftig immer mehr auch geriatrische Themen.
Wir haben in diesem Heft einen Schwerpunkt auf das Thema sarkopene Adipositas gelegt – das gemeinsame Auftreten von Adipositas und Muskelmasseverlust erscheint im ersten Moment paradox. Bei gebrechlichen Patient*innen, die aus vielfältigen Gründen Klinikaufenthalte erleben können, diktiert das extreme Missverhältnis von Fettmasse und Muskelmasse deren Krankheits- und geriatrischen Rehabilitationsverlauf in besonderer Weise. Die geriatrischen Syndrome Sturz, Sarkopenie und Frailty hängen in enger Weise zusammen und werden durch Adipositas noch erheblich aggraviert. Dazu finden Sie drei Artikel, die das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beschreiben.
Mariam Mutlu, Ursula Müller-Werdan und Kristina Norman aus Potsdam und Berlin analysieren in ihrem Artikel detailliert und in faszinierender Weise die vielfältigen pathophysiologischen und molekularen Prozesse, durch die Adipositas auf die Muskelkraft und Muskelfunktion im Alter wirkt. Michaela Rippl, Michael Drey und Sabine Schlüssel aus München sehen dann aus klinischer Perspektive auf das Thema der sarkopenen Adipositas und nennen eine Prävalenz in Deutschland von 4,5% bei Personen über 65 Jahren, die also noch gar nicht „alt“ sind. Das illustriert das Ausmaß dieses Gesundheitsproblems und die Autor*innen beschreiben Diagnosealgorithmen, Schweregradeinteilung und Begleitphänomene. Auch die wichtige klinische Frage, ob Gewichtsreduktion, vielleicht auch durch GLP-1-Agonisten verstärkt, hier hilfreich sein kann, wird thematisiert. Thomas Dorner und Anita Rieder aus Wien fokussieren dann im dritten Artikel verstärkt auf körperliche Fitness und betonen nochmals die Bedeutung des Muskelaufbaus im Alter, der ihnen als therapeutisches Ziel wichtiger ist als die Reduktion von Fettgewebemasse.
Therapeutische Gesichtspunkte werden in den folgenden zwei Artikeln thematisiert. Eva Kiesswetter, Gabriel Torbahn und Daniel Schöne aus vielfältigen Standorten im Süden Deutschlands und in Österreich betrachten Daten zu den auch in den genannten Leitlinien der DAG ausdrücklich empfohlenen multimodalen Therapieansätzen der Adipositas mit Blick auf deren Wirksamkeit und Verträglichkeit im Alter. Zwar lautet das Fazit, dass multimodale Ansätze auch bei älteren Menschen mit Adipositas klinisch sinnvoll und sicher sind, nicht zuletzt hinsichtlich ihres Einflusses auf die verschiedensten Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen. Die große Einschränkung dieser Aussage allerdings ist, dass diese Daten überwiegend von Menschen im Alter von 60–70 Jahren mit wenig ausgeprägten funktionellen Einschränkungen stammen. Im geriatrischen Bereich sind wir damit noch nicht angekommen. Zu einem ähnlichen Fazit kommen wir (Svea Stüdemann und Stefan Engeli aus Greifswald) auch mit einer Betrachtung der im klinischen Alltag immer wichtiger werdenden Arzneistoffgruppen der GLP-1-Rezeptor Agonisten und der SGLT2-Inhibitoren mit ihren inzwischen vielfältigen Einsatzgebieten. Wir wollten erfahren, wieviel Evidenz zu Wirksamkeit und Verträglichkeit im Alter in den Zulassungsstudien der einzelnen Wirkstoffe generiert wurde und sind - nicht unerwartet - enttäuscht. Zwar fanden wir kaum Hinweise auf eine altersabhängige Änderung von Wirksamkeit und Verträglichkeit, aber wir fanden eben auch nur wenige altersbezogene Auswertungen. Selbst die Angabe des Anteils von Studienteilnehmer*innen im höheren Lebensalter war nur in der Hälfte der Studien zu finden. Hier besteht also eine gravierende Wissenslücke.
Im abschließenden Artikel beschreiben Fabian Graeb und Kolleg*innen aus Esslingen den Zusammenhang von ungewolltem Gewichtsverlust, Adipositas und Mortalität bei Pflegeheimbewohner*innen im Stuttgarter Raum. Während der generelle Zusammenhang von Gewichtsverlust durch Mangelernährung und Mortalität in der Geriatrie bekannt ist, scheint Adipositas hier als modifizierender Faktor zu wirken. Bei etwa gleichem Gewichtsverlust ist die Mortalität in der Gruppe der alten Menschen mit Adipositas am niedrigsten.
Wir hoffen, mit diesem Heft Ihr Interesse und Verständnis des Themas „Adipositas im Alter“ geweckt zu haben und wünschen Ihnen eine anregende Lesezeit!
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Publication History
Article published online:
28 February 2025
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