Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2390-0110
„Demenz Care“ in der SAPV – Handlungsempfehlung für die Verordnung von SAPV
- Hintergrund
- Warum eine Handlungsempfehlung für die SAPV-Verordnung?
- Resümee
- Tool: Handlungsempfehlung für die SAPV bei Menschen mit Demenz
- Literatur
Demenzerkrankungen gehen mit hohem subjektivem Leid einher und bedürfen einer aufwendigen Versorgung. Die einzelfallgerechte Steigerung der Lebensqualität durch Linderung von Symptomen und mehrdimensionalem Leid ist Aufgabe der Palliativversorgung. Bei besonders komplexem Bedarf kann man die spezialisierte ambulante Palliativversorgung hinzuziehen. Die Verordnung kann durch Handlungsempfehlungen – wie die hier vorgestellte – erleichtert werden.
#
Hintergrund
Palliativversorgung für Menschen mit Demenz
Der Fokus der Palliativversorgung weltweit liegt nach wie vor auf onkologischen bzw. internistischen Erkrankungen [1] [2]. Entsprechend dieser Tatsache nimmt die einzige deutsche S3-Leitlinie zur Palliativmedizin Patient*innen mit einer unheilbaren Krebserkrankung in den Blick [3]. Der Definition der Weltgesundheitsorganisation von 2002 folgend, umfasst Palliative Care aber zwingend auch die multiprofessionelle Versorgung hochbetagter, vornehmlich multimorbid erkrankter Menschen mit und ohne Demenz [4]. Angesichts der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Menschen, die an einer Demenz erkranken, weiter steigen. Die bisher geschätzte Zahl von 1,6 Millionen Betroffenen in Deutschland könnte sich bis zum Jahr 2050 auf rund 2,8 Millionen fast verdoppeln [5] [6] [7]. Die daraus resultierende medizinische Herausforderung wird auch zunehmend zu einem gesamtgesellschaftlichen und nicht zuletzt zu einem relevanten sozioökonomischen Systemrisiko des Gesundheitssystems. Vor allem in den letzten Lebensjahren und -monaten nimmt sowohl der Hilfs- und Pflegebedarf als auch die Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen zu. Daher sind Konzepte, um eine angemessene und individuelle Palliative Care zu gewährleisten, erforderlich.
Bisherige Strategien und Anstrengungen zur Stärkung der medizinischen Versorgung haben die Rahmenbedingungen für Betroffene, An- und Zugehörige als auch das professionelle und das ehrenamtliche Umfeld wesentlich gestärkt [7]. Aus Sicht der Palliative Care fehlen allerdings im deutschsprachigen Raum bisher konsentierte Empfehlungen eines Expert*innenkomitees oder praktische Hinweise für die spezialisierte Palliativversorgung. Diese sind entscheidend, um eine Fehlversorgung vor allem in der vulnerablen Lebensendphase für Menschen mit Demenz zu vermeiden.
#
Herausforderungen bei der Versorgung Demenzkranker
Fast 75% der Menschen mit einer Demenzerkrankung werden auch am Lebensende durchgehend von Hausärzt*innen im ambulanten Setting (in der Häuslichkeit oder der stationären Pflegeeinrichtung) versorgt [1]. Die komplexe Symptomatik bei fortgeschrittenen Demenzerkrankungen ist gekennzeichnet durch schwerste kognitive Einschränkungen und körperlich-neurologische Beeinträchtigungen. Diese führen dazu, dass die Betroffenen über lange Zeiträume rund um die Uhr versorgt werden müssen. Psychische und Verhaltenssymptome wie Aggressivität, Ruhelosigkeit, Agitiertheit und Störungen des Tag- und Nachtrhythmus kommen hinzu. Typische körperliche Einschränkungen sind Inkontinenz, reduzierte Mobilität bis hin zur Bettlägerigkeit, Kommunikationsstörungen und Probleme bei der Nahrungsaufnahme bis hin zur Dysphagie [1]. Außerdem steigen Risiken, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen aufgrund von Polypharmazie und nicht adäquater Medikation, wie beispielsweise der Gabe von Antidementiva bei mutmaßlichen Kontraindikationen [8] [9]. Die häufigsten Todesursachen bei fortgeschrittener Demenz sind Kachexie, kardiovaskuläre und respiratorische Komplikationen, hierbei vor allem die Pneumonie [10].
Damit unterscheiden sich die auftretenden Symptome und Komplikationen, die zum Tod eines hochaltrigen Menschen mit Demenz führen, nicht wesentlich vom Verlauf maligner Erkrankungen. Entwickeln sich im Krankheitsverlauf komplexe Symptome und entsteht eine hohe Belastung im Betreuungs- und Behandlungsteam, ist im ambulanten Setting ggf. das Hinzuziehen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) indiziert.
#
Verordnung von SAPV
In Deutschland ist der Anspruch auf Palliativversorgung gesetzlich verankert und Teil der Regelleistung der Krankenkassen. Um eine spezialisierte multiprofessionelle Palliativversorgung miteinzubeziehen, ist eine ärztliche Verordnung nach „Muster 63“ notwendig [11]. Diese richtet sich nach der allgemeingültigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses und regelt Anspruchsvoraussetzungen, Inhalt und Umfang der ambulanten Palliativversorgung. Diese festgelegten Kriterien gelten ebenso für die palliativgeriatrische Versorgung hochsymptomatischer, an einer Demenz erkrankter Menschen.
2020 gab es 403 Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Nahezu flächendeckend wurden in Deutschland knapp 145.000 Verordnungen ausgestellt [12]. Eine konkrete diagnosebezogene Aufstellung, die den Anteil der Patienten identifiziert, die vordergründig mit einer Diagnose nach ICD-10-Code F00-F03 in die Versorgung aufgenommen worden sind, existiert nicht. Bisherige Analysen der SAPV-Versorgung beschränken sich mit wenigen Ausnahmen auf eine Deskription von Strukturen und Versorgungszahlen [13]. Die nationale Demenzstrategie der Bundesregierung fordert einheitliche Grundlagen zur Umsetzung der Versorgung; in der derzeitigen Realität überwiegen nach wie vor praktische Probleme mit der Verordnung.
Die Phase der palliativen (Mit-)Versorgung von Menschen mit Demenz wird im „White Paper“ der European Association for Palliative Care definiert [2]. Besonderes Augenmerk sollte in diesem Kontext auf die Caring Community und die komplexen Bedarfe dementer Erkrankter gelegt werden. Das Total-Pain-Konzept [14] mit physischem, psychosozialem und spirituellem Leid muss hier genauso zur Anwendung kommen wie bei anderen Erkrankungen im palliativen Setting. Dieser Umstand erfordert eine Herangehensweise im multiprofessionellen Team. Bisher ist jedoch umstritten, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um spezialisierte Leistungserbringer wie ein SAPV-Team in die Betreuung von Menschen mit Demenz am Lebensende hinzuzuziehen. Anhand der klar umschriebenen Symptomvoraussetzungen kann ein Antrag zwar gestellt und begutachtet werden, bisher werden palliativgeriatrische Fragestellungen meist aber als Einzelfallprüfungen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) behandelt.
Die adäquate Versorgung hochaltriger Menschen mit Demenz kann durch interdisziplinäres palliativgeriatrisches Handeln im stationären und ambulanten Bereich der Gesundheitsversorgung verbessert werden. Wenn die Verordnungsvoraussetzungen erfüllt sind, können Menschen mit einer Demenzerkrankung und hoher Symptomlast einem spezialisierten Team zugeführt oder zumindest das Behandlungsteam beraten werden. Das Einbringen speziell palliativgeriatrischer Expertise in die multiprofessionelle Begleitung von hochbetagten Patient*innen mit Demenz kann dann dem überwiegenden Wunsch nach Versorgung am Lebensende in der gewohnten Umgebung (zu Hause, in der Wohngemeinschaft, im Pflegeheim oder im Hospiz) gerecht werden [15] [16].
Menschen mit Demenz brauchen einen Ort, der für sie sicher und vertraut ist. Sie sollten – wenn möglich – frühzeitig vorausplanen, um erheblich belastende stationäre Aufenthalte zu vermeiden.
Die multidisziplinäre Herausforderung in der adäquaten Versorgung von Menschen mit Demenz liegt in der gelingenden Kommunikation. Anders als bei Tumorleiden sind Patient*innen häufig nicht mehr in der Lage, Willensäußerungen oder konkrete Symptombelastungen zu benennen. Menschen mit Demenz kommunizieren zum großen Teil über ihre Körperhaltung, Gesten und ihr Verhalten [17]. Die Differenzierung demenziell bedingter Veränderungen von körperlichen und seelischen Reaktionen auf eine hohe Symptomlast stellen in der palliativgeriatrischen Versorgung hohe Anforderungen an kommunikative Kompetenzen aller Beteiligten. Für den unterschiedlich langen Zeitraum der medizinisch-pflegerischen Begleitung sind erkrankungs- und symptombedingt in wechselndem Ausmaß kurative, rehabilitative und palliative Maßnahmen erforderlich. Lässt die Lebenskraft nach und der Gesundheitszustand verändert sich zunehmend und/oder irreversibel zum Schlechteren, ist es von entscheidender Bedeutung, das individuelle Therapie- und Lebensziel zu überdenken. Entscheidungen müssen getroffen werden und das gemeinsame Behandlungsziel ist neu zu definieren.
#
#
Warum eine Handlungsempfehlung für die SAPV-Verordnung?
Die vorliegende Handreichung soll als Empfehlung gelten, dem bisher erschwerten Zugang zu Palliativversorgung von Menschen mit Demenz Abhilfe zu schaffen. Die Anregung einer Verordnung erfolgt durch Haus- und Fachärzt*innen, stationäre Pflegeheime, Krankenhäuser, beratende Sozialdienste, Berufsbetreuer*innen sowie Einrichtungen der Behindertenbetreuung. Für diese Zielgruppen kann eine Handlungsempfehlung die Vernetzung der Leistungserbringer mit ärztlich und pflegerisch tätigen Akteuren aus der Primärversorgung bewirken. Darüber hinaus können durch das ambulante multiprofessionelle Handeln auch die Bedürfnisse der versorgenden An- und Zugehörigen stärker in den Fokus gerückt werden.
Menschen mit Demenz benötigen einen vereinfachten Zugang zu palliativmedizinischer und -pflegerischer Expertise.
Die Beschreibung von nachvollziehbaren Kriterien zur Aufnahme von Menschen mit einer Demenzerkrankung in der letzten Lebensphase in die spezialisierte ambulante Palliativversorgung ist für das gesamte Behandlungsteam wichtig. Gleichzeitig kann das Aufgabenspektrums der SAPV dargestellt werden. Die gewählten Formulierungen helfen den Hausärzt*innen bei der Antragstellung auf dem Muster 63.
Indes wird die Handlungsempfehlung aber auch dem Umstand gerecht, dass vor allem demenzassoziierte Komplikationen meist durch valide Fremdbeobachtungen eingeschätzt werden müssen. Erst dann gelingt (im Team) eine Einschätzung der Symptomstärke und nachfolgend die Klärung der Frage nach dem Bedarf an spezialisierter Expertise. Darüber hinaus können strukturierte, symptomgeleitete Empfehlungen auch als Diskussionsgrundlage für das interne Qualitätsmanagement, die Leitbildarbeit und Kooperationen sowie Fortbildungsveranstaltungen genutzt werden. Mehr Zufriedenheit im eigenen Team, die gelingende vernetzte Arbeit mit hausärztlich und pflegerisch tätigen Kolleg*innen und den Angehörigen sind notwendig für die würdevolle End-of-Life Care vieler an Demenz leidender Menschen.
Im Entstehungsprozess wurde nach eingehendem Literaturstudium und Extrahieren geeigneter Formulierungen ein erster Entwurf einer strukturierten Handlungsempfehlung erstellt und als Diskussionsgrundlage im eigenen SAPV-Team vorgestellt. Im Anschluss wurde der Entwurf im Rahmen eines multiprofessionellen Werkstattgespräches hinsichtlich der Umsetzbarkeit beurteilt und angepasst. Die Beteiligten waren Mitarbeiterinnen eines ausgewählten Pflegeheims (Fachkraft der Altenpflege und Pflegedienstleitung) der SAPV-versorgenden Region, hausärztlich tätige Kolleg*innen (mit einem umfangreichen Patientenanteil in der Einrichtung s.o.) und Palliativmediziner*innen.
Die regionale Implementierung im Landkreis Biberach zeigt eine zunehmende Verordnungshäufigkeit (auch von Beratungen) von SAPV für Menschen mit Demenz. Die Nutzung der Handlungsempfehlung sowohl im unmittelbaren Patientenkontakt als auch in interdisziplinären Besprechungen oder Besuchen führt zu einem Absinken der Hemmschwelle bei der Kontaktierung eines SAPV-Teams. Unser dabei entstandener Eindruck ist, dass auch Notaufnahmen der Landkreiskliniken anhand der Handlungsempfehlung bei Entlassung konkret das SAPV-Team mit einbeziehen oder dieses zumindest epikritisch für die Weiterversorgung anregen.
Für Menschen mit Demenz wäre ein palliativmedizinischer und geriatrischer Diskurs zugunsten einer besseren End-of-Life Care wünschenswert. Hilfreich ist eine konkrete Handlungsempfehlung für die Verordnung von SAPV für Menschen mit Demenz.
#
Resümee
Eine palliativgeriatrische Haltung im ärztlichen Handeln der meist unmittelbaren Sterbebegleitung hochsymptomatischer Menschen mit einer Demenzerkrankung hat im Berufsalltag der SAPV noch eine untergeordnete Rolle. Je kürzer die Lebenszeit wird, desto wichtiger ist das Ausschöpfen der palliativen Möglichkeiten im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Dadurch werden belastende Symptome reduziert, das Behandlungsteam entlastet und stationäre Aufenthalte vermieden, um Sterbenden unnötiges Leid zu ersparen. Die Entscheidungsfindung am Lebensende hochbetagter Menschen ist ein gemeinsamer Prozess, um Überversorgung zu vermeiden. Vorausschauende ärztliche, pflegerische und therapeutische Palliativkompetenzen geben Sicherheit im Behandlungsverlauf.
Wichtig ist ein konsequentes Orientieren am individuellen Therapie- und Lebensziel von Menschen mit Demenz. Eine verbesserte analgetische Symptomkontrolle für die Versorgung von Menschen mit Demenz ist notwendig.
Die Erstellung einer Handlungsempfehlung ist ein Schritt hin zu einer Bewusstwerdung der dringend notwendigen multiprofessionellen Palliativversorgung für Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen und der Häuslichkeit. Nur so können das individuelle Therapie- und Lebensziel verfolgt und belastende und unnötige Therapien vermieden werden. Stationäre Einweisungen am Lebensende stellen ein großes volkswirtschaftliches Problem dar, das durch interdisziplinäres palliativgeriatrisches Handeln reduziert werden kann. Die eingehende Beschäftigung mit der Frage nach angemessener und würdevoller Begleitung von symptomgeplagten Menschen mit Demenz ist daher ein wichtiger Bestandteil der Palliativmedizin. Weitere, prospektiv angelegte Versorgungsforschungsprojekte, die die Versorgung von hochaltrigen Menschen mit und ohne Demenz am Lebensende verbessern, sind erforderlich.
#
Tool: Handlungsempfehlung für die SAPV bei Menschen mit Demenz
Hintergrund
Hochbetagte Menschen mit einer Demenzerkrankung, die in Pflegeheimen oder der Häuslichkeit versorgt werden, sind von Beginn an unter palliativen Gesichtspunkten mitzubehandeln. Für den unterschiedlich langen Zeitraum der Begleitung sind in wechselndem Ausmaß kurative, rehabilitative und palliative Maßnahmen erforderlich. Lässt die Lebenskraft nach und der Gesundheitszustand verändert sich bleibend zum Schlechteren, ist es von entscheidender Bedeutung, die geänderte Situation zu erkennen. Entscheidungen müssen getroffen werden und das Behandlungsziel ist neu zu definieren. Je kürzer die Lebenszeit wird, desto wichtiger ist das Ausschöpfen der palliativen Möglichkeiten im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Dadurch werden belastende Symptome reduziert, das Behandlungsteam entlastet bzw. nicht gewünschte oder nicht indizierte stationäre Aufenthalte vermieden, um Sterbenden unnötiges Leid zu ersparen.
#
Verordnungsvoraussetzungen
Demenzerkrankungen erfüllen die Kriterien einer nicht heilbaren, fortschreitenden Erkrankung mit verkürzter Lebensdauer. Die Notwendigkeit einer besonders aufwändigen Versorgung und das medizinisch-pflegerische Ziel einer einzelfallgerechten Steigerung der Lebensqualität durch Linderung von Symptomen und Leiden begründet die spezialisierte Palliativversorgung. Darüber hinaus muss eine Bedarfs- und Krisenintervention durch die Sicherstellung eines 24-Std.-Rufdienstes notwendig sein.
#
Komplexes Symptomgeschehen
Verschlechterung des Allgemeinzustandes
innerhalb von Tagen oder Wochen, z.B.
-
Verschlechterung des Karnofsky-Index
-
rezidivierende Stürze
-
neu aufgetretene Immobilität
-
Kachexiesyndrom/ungewollte Gewichtsabnahme
#
Zunahme stark belastender Symptome
innerhalb von Tagen oder Wochen, z.B.
-
Luftnot
-
(Durchbruch-)Schmerzen
-
Übelkeit/Erbrechen
-
epileptische Anfälle
-
neue oder fortschreitende Lähmungen
-
Schluckstörung, Dysphagie
-
Bewusstseinsstörungen/Delir
-
Unruhe, Angst
-
psychotische Symptome wie Verwirrtheit, Halluzinationen, herausforderndes Verhalten
-
ausgeprägte Schlafstörungen
-
ausgeprägter Juckreiz
#
#
Therapiezielplanung
Die palliative Behandlungsplanung orientiert sich an Diagnose, Krankheitsprogression und Prognose. Neben den medizinischen Sachverhalten, die die Indikation für Maßnahmen begründen, muss der mutmaßliche, der in der PV niedergelegte oder sogar der aktuelle/explizite Wille der (dementen) Patienten in die Planung des Therapieziels eingehen. Das komplexe Symptomgeschehen setzt spezifische palliativmedizinische und/oder palliativpflegerische Kenntnisse und Erfahrungen im multidisziplinären Team voraus. Es muss daher in besonderem Maße individuell angepasst und nach einem abgestimmten Konzept erfolgen.
#
Maßnahmen
In der letzten Lebensphase können bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz unterschiedliche körperliche und psychische Symptome auftreten, welche die Lebensqualität deutlich einschränken. Vielfältige medizinische und pflegerische Maßnahmen des SAPV-Teams können hier zu einer Symptomlinderung und einer Verbesserung des Wohlbefindens führen.
Beobachten
-
Erhebung eines palliativgeriatrischen Assessments unter besonderer Berücksichtigung der psychosozialen und spirituellen Aspekte der Patient/innen und Zugehörigen
-
Erhebung von Anamnese und Befund im Hinblick auf die palliative Versorgungssituation
-
Erhebung der palliativpflegerischen Probleme
-
Erfassung und Dokumentation körperlicher und psychischer Symptome für eine patientenorientierte, zeitabhängige, ggf. täglich anzupassende Therapie
#
Entscheiden
-
Klärung der Notwendigkeit weiterer Maßnahmen (z.B. Heil- und Hilfsmittelversorgung)
-
Unterstützung und Beratung bei Entscheidungen über kausale und symptomatische Therapien sowie über Therapieänderungen einschließlich eventueller Therapiebegrenzung (Reanimation, Krankenhauseinweisung)
-
kritische Reflexion der Indikationsstellung zu apparativen bzw. invasiven Behandlungsmaßnahmen
-
Beratung zur künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsgabe in der letzten Lebensphase
#
Handeln
-
Festlegung eines speziellen Behandlungsplans zur Kontrolle des komplexen Symptomgeschehens
-
Erstellung eines speziellen medikamentösen Behandlungsplans nach festem Zeitintervall mit individueller Dosis und Dosisanpassung
-
vorausschauende Planung und Dokumentation von Maßnahmen zur Krisenintervention
-
spezielle Aufklärung der Patientinnen und Patienten und deren Zugehörigen über Zustand, Prognose, mögliche Krisen und Verläufe (Antizipation)
-
Behandlung der therapiebedingten Begleitsymptome
-
Einleitung apparativer bzw. invasiver Behandlungsmaßnahmen (Medikamenten- und Infusionspumpen, Sauerstoffgeräte, Absaugvorrichtungen, Sonden und Drainagen)
-
palliativärztliche und -pflegerische Behandlung von ausgeprägten exulzerierenden Tumoren und Wunden
-
Sicherstellung der Umsetzung und Kontrolle der ärztlichen palliativpflegerischen Anweisungen
-
Begleitung der Sterbenden und der Zugehörigen in der Finalphase; ggf. Durchführung einer palliativen Sedierung unter Berücksichtigung des Patientenwillens und ethischer Grundsätze
#
#
Kontaktaufnahme
Zur Klärung der Begründung einer SAPV-Versorgung oder -Beratung für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung können sich alle an der Versorgung Beteiligten beim regional zuständigen Palliativ Care Team melden. SAPV wird grundsätzlich als ergänzende Leistung neben der bestehenden palliativen Basisversorgung erbracht, d.h. die SAPV und damit die Entscheidung für eine vorwiegend auf Verbesserung von Symptomatik und Lebensqualität ausgerichtete Versorgung verdrängt nicht den Anspruch auf Leistungen der sonstigen Versorgung.
Copyright des Tools: Dr. med. Monika Fuchs, Version 1.5. © 2023. This work is licensed under a CC BY-SA 4.0 license.
#
#
#
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass sie Vorstandsmitglieder der Fachgesellschaft Palliative Geriatrie (FGPG) sind.
-
Literatur
- 1 Diehl-Schmid J, Riedl L, Rüsing U. et al. Palliativversorgung von Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Nervenarzt 2018; 89: 524-529
- 2 Van der Steen JT, Radbruch L, Hertogh CM. et al. White Paper Defining Optimal Palliative Care in Older People with Dementia: A Delphi Study and Recommendations from the European Association for Palliative Care. Palliat Med 2014; 28: 197-209
- 3 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF). Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung. Langversion 2.2 – September 2020. AWMF-Registernummer: 128/001OL. Accessed September 20, 2024 at: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/palliativmedizin/
- 4 World Health Organization. WHO definition of palliative care. August. 2020 Accessed September 20, 2024 at: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/palliative-care
- 5 Statistisches Bundesamt. Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. 2024 Accessed September 20, 2024 at: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Glossar/fortschreibungdes-bevoelkerungsstandes.html
- 6 Blotenberg I, Hoffmann W, Thyrian JR. Dementia in Germany: epidemiology and prevention potential. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 470-476
- 7 Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA). Nationale Demenzstrategie. Accessed September 20, 2024 at: https://www.nationale-demenzstrategie.de/
- 8 Tan YY, Papez V, Chang WH. et al. Comparing clinical trial population representativeness to real-world populations: an external validity analysis encompassing 43 895 trials and 5 685 738 individuals across 989 unique drugs and 286 conditions in England. Lancet Healthy Longev 2022; 3: e674-e689
- 9 Frahm N, Hecker M, Zettl UK. Polypharmacy in Chronic Neurological Diseases: Multiple Sclerosis, Dementia and Parkinson’s Disease. Curr Pharm Des 2021; 27: 4008-4016
- 10 Koopmans RTCM, Van der Sterren KJMA, Van der Stehen JT. The ‘Natural’ Endpoint of Dementia: Death from Cachexia or Dehydration Following Palliative Care?. Int J Geriatr Psychiatry 2007; 22: 350-355
- 11 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.. Begutachtungsanleitung SAPV und stationäre Hospizversorgung. Februar. 2019 Accessed September 20, 2024 at: https://md-bund.de/themen/weitere-themen/palliativversorgung.html
- 12 Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Spezialisierte ambulante Palliativversorgung. 2024 Accessed September 20, 2024 at: https://www.kbv.de/html/sapv.php
- 13 Schneider W. Mehr als Symptomkontrolle: ‚Wirksamkeit‘ in der SAPV. In: Borasio GD, Niebling W-B, Scriba PC. Evidenz und Versorgung in der Palliativmedizin. Medizinische, psychosoziale und spirituelle Aspekte (Reihe: Report Versorgungsforschung Band 7). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2013: 97-110
- 14 Heimerl K, Milius S. Total Pain. Das ganzheitliche Leiden von hochbetagten Menschen. In: Heimerl K, Milius S. Total Pain in der Palliativen Geriatrie. 1. Aufl. Bern: Hogrefe; 2024: 23-33
- 15 Kunz R. Palliative Geriatrie als Haute Couture aus Medizin und Pflege. In: Kojer M, Schmidl M, Heimerl K. Demenz und Palliative Geriatrie in der Praxis. 3. Aufl.. Berlin: Springer; 2022
- 16 Pinzon LC, Claus M, Perrar KM. et al. Dying with dementia: symptom burden, quality of care, and place of death. Dtsch Arztebl Int 2013; 110: 195-202
- 17 Heimerl K, Böck K, Kojer M. Selbstbestimmung und Autonomie in der Palliativen Geriatrie – ein Grundsatzpapier. Z Palliativmed 2020; 21: 243-247
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
03 January 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Diehl-Schmid J, Riedl L, Rüsing U. et al. Palliativversorgung von Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Nervenarzt 2018; 89: 524-529
- 2 Van der Steen JT, Radbruch L, Hertogh CM. et al. White Paper Defining Optimal Palliative Care in Older People with Dementia: A Delphi Study and Recommendations from the European Association for Palliative Care. Palliat Med 2014; 28: 197-209
- 3 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF). Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung. Langversion 2.2 – September 2020. AWMF-Registernummer: 128/001OL. Accessed September 20, 2024 at: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/palliativmedizin/
- 4 World Health Organization. WHO definition of palliative care. August. 2020 Accessed September 20, 2024 at: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/palliative-care
- 5 Statistisches Bundesamt. Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. 2024 Accessed September 20, 2024 at: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Glossar/fortschreibungdes-bevoelkerungsstandes.html
- 6 Blotenberg I, Hoffmann W, Thyrian JR. Dementia in Germany: epidemiology and prevention potential. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 470-476
- 7 Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA). Nationale Demenzstrategie. Accessed September 20, 2024 at: https://www.nationale-demenzstrategie.de/
- 8 Tan YY, Papez V, Chang WH. et al. Comparing clinical trial population representativeness to real-world populations: an external validity analysis encompassing 43 895 trials and 5 685 738 individuals across 989 unique drugs and 286 conditions in England. Lancet Healthy Longev 2022; 3: e674-e689
- 9 Frahm N, Hecker M, Zettl UK. Polypharmacy in Chronic Neurological Diseases: Multiple Sclerosis, Dementia and Parkinson’s Disease. Curr Pharm Des 2021; 27: 4008-4016
- 10 Koopmans RTCM, Van der Sterren KJMA, Van der Stehen JT. The ‘Natural’ Endpoint of Dementia: Death from Cachexia or Dehydration Following Palliative Care?. Int J Geriatr Psychiatry 2007; 22: 350-355
- 11 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.. Begutachtungsanleitung SAPV und stationäre Hospizversorgung. Februar. 2019 Accessed September 20, 2024 at: https://md-bund.de/themen/weitere-themen/palliativversorgung.html
- 12 Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Spezialisierte ambulante Palliativversorgung. 2024 Accessed September 20, 2024 at: https://www.kbv.de/html/sapv.php
- 13 Schneider W. Mehr als Symptomkontrolle: ‚Wirksamkeit‘ in der SAPV. In: Borasio GD, Niebling W-B, Scriba PC. Evidenz und Versorgung in der Palliativmedizin. Medizinische, psychosoziale und spirituelle Aspekte (Reihe: Report Versorgungsforschung Band 7). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2013: 97-110
- 14 Heimerl K, Milius S. Total Pain. Das ganzheitliche Leiden von hochbetagten Menschen. In: Heimerl K, Milius S. Total Pain in der Palliativen Geriatrie. 1. Aufl. Bern: Hogrefe; 2024: 23-33
- 15 Kunz R. Palliative Geriatrie als Haute Couture aus Medizin und Pflege. In: Kojer M, Schmidl M, Heimerl K. Demenz und Palliative Geriatrie in der Praxis. 3. Aufl.. Berlin: Springer; 2022
- 16 Pinzon LC, Claus M, Perrar KM. et al. Dying with dementia: symptom burden, quality of care, and place of death. Dtsch Arztebl Int 2013; 110: 195-202
- 17 Heimerl K, Böck K, Kojer M. Selbstbestimmung und Autonomie in der Palliativen Geriatrie – ein Grundsatzpapier. Z Palliativmed 2020; 21: 243-247