Notfallmedizin up2date 2025; 20(01): 29-44
DOI: 10.1055/a-2290-1673
Allgemeine und organisatorische Aspekte

Triage des Traumapatienten in der Zentralen Notaufnahme

Anna Goth
,
Daniel Anthony Koch
,
Uwe Schweigkofler
 

Die Triage in Notaufnahmen ist ein wichtiges Instrumentarium, um die Schwere der Verletzung oder Erkrankung von Patienten einzuschätzen und zu differenzieren. Aufgrund der weltweiten Zunahme der Patientenzahlen in der Notaufnahme ist die Triage in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Dieser Artikel soll einen Überblick über unterschiedliche Triage-Systeme schaffen und diese erläutern.


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Abkürzungen

AIS: Abbreviated Injury Scale
ATS: Australasian Triage Scale
CAEP: Canadian Association of Emergency Physicians
COT: Complaint Oriented Triage
CTAS: Canadian Triage and Acuity Scale
ESI: Emergency Severity Index
GCS: Glasgow Coma Scale
ISS: Injury Severity Score
MTS: Manchester Triage System
NHS: National Health Service (UK)
NTS: National Triage System
pedCTAS bzw. CPTAS: pediatric Canadian Triage and Acuity Scale
RTH: Rettungshubschrauber
RTS: Revised Trauma Score
RTW: Rettungstransportwagen
TRISS: Trauma and Injury Severity Score


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Hintergrund

Bei der Triage handelt es sich um einen Prozess, Notfallpatienten anhand des Schweregrades der bestehenden Erkrankung oder Verletzung innerhalb kurzer Zeit zu identifizieren, eine Kategorisierung vorzunehmen und zu priorisieren, insbesondere, wenn Ressourcen limitiert sind [1]. Gleichzeitig ist die Triage nicht nur im Rahmen der Mangelsituation zu sehen, sondern auch als Instrumentarium zur Zuteilung von Behandlungsressourcen, um deren vernünftigen Einsatz zu ermöglichen [2].

Das Patientenaufkommen der Notaufnahmen zeigt eine jährliche Steigerung, da seitens der Patienten die Notaufnahme immer häufiger als primärer Zugangsweg zum Gesundheitswesen gewählt wird [3]. Gleichzeitig ist das Patientenaufkommen in der Notaufnahme kaum planbar, wenige Patienten zeigen lebensgefährliche Verletzungen, und aufgrund von Personalengpässen können nicht alle Patienten zeitgleich gesehen und behandelt werden [3]. Aus diesem Grund ist es essenziell, dass Patienten, die auf dringende Hilfe angewiesen sind, verlässlich und innerhalb weniger Minuten identifiziert werden [1] [4].

  • Übertriage definiert die Zuteilung und Inanspruchnahme einer Ressource, die nicht notwendig gewesen wäre.

  • Untertriage bedeutet, dass Patienten mit schweren Verletzungen nicht erkannt werden und es somit zu verzögerten Maßnahmen sowie einer höheren Mortalität kommt [1] [2].

Take Home Message

Zusammengefasst ist das Ziel einer akkuraten Triage, die richtige Person rechtzeitig, aufgrund der korrekten Ursache und angepasst an die vorhandenen Ressourcen an den richtigen Platz zu bringen, um eine adäquate Behandlung zu ermöglichen [1].

Merke

Ziel ist es, eine Über- bzw. Untertriage zu vermeiden.

Obwohl der Begriff auch in erweitertem Sinne verwendet werden kann, um Entscheidungen über Zuteilungen zu knappen medizinischen Ressourcen zu fällen, gehören zu der Erfüllung des Begriffs der „Triage“ 3 Bedingungen [5].

  • Die erste umfasst eine zumindest geringfügig bestehende Knappheit von Gesundheitsressourcen, wobei der Knappheitsgrad variieren kann. Unter Umständen, in denen die Ressourcen ausreichen, ist eine Triage nicht notwendig [5].

  • Die zweite Bedingung ist, dass ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Rahmen einer kurzen Untersuchung den medizinischen Bedarf der Patienten beurteilt [5].

  • Die dritte Bedingung ist die Verwendung eines etablierten Triage-Systems, durch das ein Algorithmus eine bestimmte Behandlungspriorität oder eine bestimmte Behandlung festlegt [5].

Fallbeispiel

Fall 1

Ein 45-jähriger Mann kommt nach einem Leitersturz aus 3 m Höhe via Rettungsdienst in die Notaufnahme. Er klagt über starke Schmerzen im rechten Oberschenkel und kann das Bein nicht belasten. Es zeigt sich eine deutliche Fehlstellung und Verkürzung des rechten Beins.

Vitalzeichen

  • Blutdruck: 135/85 mmHg

  • Herzfrequenz: 105 bpm

  • Sauerstoffsättigung: 98%

  • Atemfrequenz: 18/min

  • Temperatur: 36,8 °C

Manchester Triage System (MTS)

  • Hauptbeschwerde: Trauma/Sturz

  • Indikatoren: starke Schmerzen, Fehlstellung, eingeschränkte Beweglichkeit

  • Prioritätsstufe: orange (Kategorie 2) – sehr dringend

  • Begründung: Verdacht auf eine Femurschaftfraktur, die aufgrund der Schmerzen, der Fehlstellung und des Risikos von Blutverlust eine zeitnahe Versorgung erfordert (Behandlung innerhalb von 10 min).

Australasian Triage Scale (ATS)

  • Hauptbeschwerde: hochenergetisches Trauma (Sturz aus Höhe)

  • Indikatoren: Fehlstellung, starke Schmerzen

  • Prioritätsstufe: Kategorie 2 – sehr dringend

  • Begründung: Eine mögliche Femurschaftfraktur ist mit starken Schmerzen und Blutverlust assoziiert → Versorgung innerhalb von 10 min erforderlich.

Emergency Severity Index (ESI)

  • Hauptbeschwerde: hochenergetisches Trauma mit Fehlstellung

  • Ressourcenbedarf:

    • Bildgebung (Röntgen, evtl. CT) → 1 Ressource

    • Schmerztherapie → 1 Ressource

  • Prioritätsstufe: ESI 2 – höchste Dringlichkeit, instabile Verletzung

  • Begründung: Aufgrund des Risikos eines Schockgeschehens durch Blutverlust und der starken Schmerzen wird der Patient in Kategorie ESI 2 eingestuft.


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Historie

Die Begrifflichkeit der Triage stammt von dem französischen Wort „trier“ (sortieren) ab und wurde ursprünglich zur Beschreibung der Sortierung landwirtschaftlicher Produkte verwendet. Heutzutage wird der Begriff der „Triage“ fast ausschließlich im speziellen Kontext des Gesundheitswesens verwendet [5].

Die Idee der medizinischen Triage rührt aus der Militärmedizin, wobei ihre Wurzeln bis auf das 18. Jahrhundert zurückgehen und sie für die systematische Verteilung verwundeter Soldaten verwendet wurde [6]. Vorreiter war hier der französische Militärarzt Baron Dominique-Jean Larrey. Er sah eine Notwendigkeit in der Beurteilung und Kategorisierung von verwundeten Soldaten während einer Schlacht unabhängig von ihrem Rang oder ihrer Herkunft. Weiter versorgte er mit chirurgischen Maßnahmen, noch während des Kampfs, die schwer verwundeten Patienten und setzte Kutschen ein, um diese vom Schlachtfeld zu evakuieren [5].

Einen weiteren Meilenstein setzte John Wilson, der eine Unterscheidung in der Behandlungsdringlichkeit der Patienten vornahm [5] [6]. Er differenzierte die Verwundeten, die eine Chance auf Rettung haben und eine schnelle Behandlung benötigten. Patienten, die lebensbedrohlich verletzt waren, oder nur leicht verletzte Patienten wurden zunächst in der Behandlung nicht berücksichtigt [5] [6].

Parallelen zeigen sich hier zu der präklinischen Triage während eines Massenanfalls an Verletzten auf. Es werden nicht unbedingt die schwerstverletzten Patienten zuerst behandelt, sondern die, die eine potenziell höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben [6]. Hieraus entstehen ethische und moralische Dilemmata, die eine große Herausforderung an das Triage-Team stellen.

Die Einführung einer innerklinischen Triage kann aus ersten Berichten der Jahre 1963 und 1964 des Emergency Departements der Universitätsklinik der Yale University in New Haven entnommen werden [7]. Hier erfolgte die Triagierung durch Ärzte. Eine Triagierung, wie auch heute üblich, durch Pflegekräfte wurde 1964 am Cornell Medical Center in New York eingeführt und dokumentiert. In beiden Fällen konnte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Zunahme der Patientenzahlen verzeichnet werden [7].

Merke

Die moderne innerklinische Triage muss allerdings klar von der präklinischen Triage unterschieden werden.


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Moderne Triage-Systeme

Aus der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen im Rahmen des zunehmenden Ansturms auf die Notaufnahmen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel ergibt sich aus den o. g. Grundsätzen die Notwendigkeit der Triage. Zielsetzung ist, eine sinnvolle Behandlungspriorisierung der Patienten zu erstellen. Hierfür wird ein standardisiertes System benötigt.

Weltweit haben sich diverse Triage-Modelle etabliert. Gemessen werden die unterschiedlichen Instrumente anhand von Validität und Reliabilität.

Definition

Validität

Validität beschreibt die Übereinstimmung eines Messwertes mit dem „wahren“ Wert.

5-stufige Triage-Systeme zeigen hierbei die höchste Validität. Systeme mit weniger oder mehr Stufen zeigen eine signifikant geringere Validität [6] [7].

Merke

Als Goldstandard gilt das 5-stufige Triage-System.

Als Referenz werden hierfür die Sterblichkeitsrate, stationäre Aufnahmen auf Normal- oder Intensivstation als auch Ressourcenverschwendungen verwendet [4].


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Ansprüche an Triage-Systeme

Der Anspruch an ein modernes Triage-System sollte folgende Grundsätze beinhalten und muss:

  • schnell ablaufen und zu jeder Zeit an 365 Tagen im Jahr verfügbar sein [8],

  • einfach und verständlich sein [6],

  • eine hohe Validität, Reliabilität und Sensitivität aufweisen [4],

  • robust gegen äußere Einflussfaktoren sein (z. B. Erfahrung oder Auslastung) [8],

  • an einen strukturierten Auditprozess durch Experten geknüpft sein [8].

Notfallpatienten müssen aus der Masse an Patienten zuverlässig herausgefiltert werden, und die ersteinschätzende Person muss sich anhand der klinischen Symptome, der Anamnese und der Art der Einweisung (Selbsteinweisung versus Überweisung versus Vorstellung via Rettungswagen (RTW) versus Rettungshubschrauber (RTH) versus notarztbegleitet) einen objektiven Ersteindruck der Dringlichkeit verschaffen [6].

Eine vitale Bedrohung muss ausgeschlossen bzw. umgehend therapiert werden. Hierzu sollte das prioritätenorientierte Vorgehen nach dem cABCD-Schema (s. Übersicht) eingesetzt werden. Zudem muss die Dynamik, die viele Erkrankungen mit sich bringen, einkalkuliert werden. Es bedarf daher einer regelmäßigen Reevaluation der Ersttriage [6] [8].

Take Home Message

Es sollte immer eine prioritätenorientierte Behandlung nach dem cABCD-Schema stattfinden:

  • c – critical Bleeding

  • A – Airway

  • B – Breathing

  • C – Circulation

  • D – Disability

Nach dem Lösen eines Problems muss eine Reevaluation stattfinden!

Durchgeführt werden sollte die Triage durch speziell ausgebildete Pflegekräfte, was einen hohen Ressourcenverbrauch mit sich zieht. Diese Vollkraftstelle muss zur Ausbildung, Durchführung und kontinuierlichen Schulung in die Personalplanung einkalkuliert werden [6] [8]. Gleichzeitig sollten die Triage-Systeme so strukturiert sein, dass auch weitere Beteiligte der Notfallversorgung es anwenden können (Ärzte, Mitarbeiter des Rettungsdienstes, Pflegekräfte) [8].

Den o. g. Ansprüchen werden diverse Systeme gerecht. Am weitesten verbreitet und in diversen Studien untersucht sind allerdings weltweit nur 4 Systeme, die im Folgenden erklärt und analysiert werden sollen.


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Triage-Systeme

Australasian Triage Scale (ATS)

Dieses Triage-Instrument wird hauptsächlich in Notfallambulanzen in Australien und Neuseeland verwendet. Wie der Name es besagt, wurde dieses Triage-System 1993–1994 in Australien entwickelt. Es war das erste standardisierte 5-stufige Triage-System, das sich in der Notfallmedizin etablierte und speziell für den Einsatz in Australien und Asien gedacht war [7].

Ein Hauptmerkmal der ATS ist ihre umfassende Struktur, die eine detaillierte Einschätzung des Patienten erfordert. Dadurch kann die Einstufung bis zu 10 min in Anspruch nehmen, da nicht nur die unmittelbaren Symptome, sondern auch der Gesamtzustand des Patienten berücksichtigt werden müssen. Dieses umfassende System ermöglicht eine hohe Validität, insbesondere in Bezug auf die Priorisierung der Patientenversorgung. Die ATS wird in vielen Notaufnahmen wegen ihrer genauen und strukturierten Methodik geschätzt [1] [7].

Die Besonderheit der ATS besteht darin, dass sie flexible Spielräume bietet, die es ermöglichen, das System an die individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Klinik anzupassen. Ebenso bleibt Spielraum für die individuelle Einschätzung des zuständigen medizinischen Personals, was besonders in komplexen oder ungewöhnlichen Fällen hilfreich sein kann [7].

Ein zentraler Aspekt sind dabei die sogenannten „Modifier“, die den Behandelnden innerhalb eines Triage-Systems Ermessensspielräume eröffnen. Diese ermöglichen es, im Rahmen der Triage eine höhere Einstufung eines Patienten vorzunehmen oder davon abzusehen. Obwohl diese Flexibilität die Notfallidentifizierung erleichtert und die praktische Anwendbarkeit erhöht, mindert sie zugleich die Zuverlässigkeit des Systems. Studien, die reale Triage-Situationen untersuchen, zeigen in diesem Zusammenhang schlechtere Ergebnisse [4] [7]. Angesichts der lokalen Adaptation ist die Übertragbarkeit von Studien, die in anderen Kontexten durchgeführt wurden, als problematisch einzustufen [4] [7].

Ein weiteres Problem ergibt sich durch den Einsatz von Arbeitsdiagnosen im Rahmen der Australasian Triage Scale. Da Diagnosen in Deutschland als nicht delegierbare ärztliche Aufgabe gelten, kann die Verwendung eines Systems, das auf Diagnosen basiert, bestehende rechtliche Probleme verschärfen [7] [9].

Im Jahr 2001 wurde das National Triage System (NTS) erstmals umfassend überarbeitet und zur ATS weiterentwickelt, mit dem Ziel, die Prozesse zu beschleunigen und die Ermessensspielräume zu verringern. Diese angestrebte Wirkung wurde jedoch nicht vollständig erreicht. Mittlerweile unterliegt die ATS in Australien einem kontinuierlichen Revisionsprozess [9].

Die Prozessdaten der Regionen und Krankenhäuser werden im Internet publiziert, und es gibt verschiedene Ergebnisse über Validität und Reliabilität. Eine prospektive Überprüfung der Daten hat allerdings bisher nicht stattgefunden [4].

Eine Metaanalyse von Ebrahimi et al. untersuchte die Validität der ATS, wobei eine Fehltriage in weniger als ca. 39,2% der Fälle vorkam. In 20,7% der Fälle kam es zu einer Übertriage und in 18,5% der Fälle zu einer Untertriage. Verglichen mit dem Emergency Severity Index zeigt sich beim ATS eine höhere Rate an Über- als auch Untertriagen [10].

Ein Flussdiagramm (etwa wie in [Abb. 1] gezeigt) unterstützt dabei, das Vorgehen und die Entscheidungsfindung im Triage-Prozess zu visualisieren und zu vereinfachen.


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Canadian Triage and Acuity Scale (CTAS)

Die Canadian Triage and Acuity Scale ist eine Weiterentwicklung der Australasian Triage Scale. Als Kritikpunkt seitens Ärzten und Pflegern wurde die Ungenauigkeit mit zu großen Ermessensspielräumen genannt. Als Verbesserung sollten eine präzisere Zuordnung von Leitsymptomen zu den Triage-Kategorien vorgenommen und Verdachtsdiagnosen integriert werden, denen besonderes Augenmerk gelten sollte.

In den späten 1990er-Jahren wurde das System als allgemeine Triage-Skala landesweit in Kanada eingeführt und erhielt offizielle Unterstützung [11]. Obwohl die grundlegenden Prinzipien, wie die Berücksichtigung der „Modifier“, beibehalten wurden, blieb der zeitliche Aufwand ähnlich hoch wie bei der ATS.

Merke

Die Anwendung von „Modifiern“ führt im CTAS zwingend zu einer höheren Einstufung.

Nach 5 Jahren Anwendung führte die CTAS National Working Group im Auftrag der Canadian Association of Emergency Physicians (CAEP) eine erste Revision der Canadian Triage and Acuity Scale durch, die 2004 veröffentlicht und als neuer Standard festgelegt wurde. Im Zuge dieser Überarbeitung wurde auch eine pädiatrische Parallelversion entwickelt, die pediatric Canadian Triage and Acuity Scale (pedCTAS bzw. CPTAS).

Eine der Zielsetzungen der Überarbeitung war es, die Anwendung des Systems zu beschleunigen. Daher wurde, in Anlehnung an das Manchester Triage System (MTS), eine beschwerdebildorientierte Variante entwickelt. Diese Complaint Oriented Triage (COT) definierte 160 Beschwerdebilder für erwachsene Patienten und ebenso viele für die pädiatrische Variante. Diese Beschwerdebilder umfassen Angaben aus der Anamnese, Vitalparameter, klinische Zeichen und Symptome wie Thorax- oder Bauchschmerzen oder Atemnot [4]. Der angestrebte Beschleunigungseffekt wurde jedoch durch die Komplexität der Auswahl nahezu vollständig aufgehoben.

Die CTAS wird etwa alle 4 Jahre überprüft und aktualisiert, und ähnlich wie bei der ATS werden die Reaktionszeiten bis zur ärztlichen Evaluation erhoben. Sollte eine definierte Wartezeit überschritten werden oder eine Veränderung der Beschwerden eintreffen, muss die Triage erneut durchgeführt werden.

Unter den Aspekten der Validität und Reliabilität zeigen sich ausgezeichnete Resultate [12].

In ländlichen kanadischen Regionen wird die Triage ohne ärztliche Unterstützung durchgeführt und seitens der speziell ausgebildeten Pflegekräfte die Entscheidung getroffen, ob eine ärztliche Sichtung notwendig ist oder nicht [4]. Eine durch speziell geschultes Personal durchgeführte Triage schneidet signifikant besser ab als eine selbstständig durchgeführte Triage [13].


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Emergency Severity Index (ESI)

Der ESI wurde in den späten 1990er-Jahren an Krankenhäusern in Boston entwickelt und eingeführt. In den ersten Jahren wurde das System mehrfach überarbeitet, da es sich in einigen Bereichen als zu restriktiv, in anderen als zu großzügig erwies [7] [14].

Auf den ersten Blick handelt es sich beim ESI um ein 5-stufiges System, bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es eine Kombination aus zwei 3-stufigen Systemen ist. Diese beiden Systeme decken unterschiedliche Anforderungen der Notaufnahmen ab:

  • einerseits die Notfallidentifikation,

  • andererseits die Zuweisung von Ressourcen [7] [14].

Der Ablauf ist wie folgt: Der eintreffende Patient wird bezüglich einer vitalen Gefährdung überprüft. Wenn dies zutrifft („Patient is dying“), erfolgt eine Einteilung in die 1. Stufe, und der Patient wird sofort behandelt [15].

Merke

Der hämodynamisch oder respiratorisch instabile Patient wird in Stufe 1 eingeordnet.

Falls der eintreffende Patient bei einer längeren Wartezeit eine potenzielle vitale Gefährdung erleiden sollte, erfolgt eine Eingruppierung in Stufe 2 mit einer maximalen Wartezeit von 10 min [15].

Merke

In Stufe 2 werden Patienten üblicherweise mit Thoraxschmerzen, akutem Koronarsyndrom, Bewusstseinsstörungen, starken Schmerzen oder Intoxikationen eingeordnet [15].

Die restlichen Patienten werden nach dem benötigten Behandlungsaufwand eingestuft. Hierbei erfolgt eine Unterteilung in Patienten, die keine umfangreichen Ressourcen benötigen (Stufe 5), und die Patienten, die eine Ressource benötigen, in Stufe 4. Sollten Patienten 2 oder mehr Ressourcen benötigen, werden diese in Stufe 3 eingeteilt mit einer Wartezeit bis zum Arztkontakt von 1 h. Zusätzlich werden bei diesen Patienten Vitalparameter erhoben, um ggf. eine Höherstufung vorzunehmen [15].

Eine zeitliche Vorgabe zwischen Patientenaufnahme und Arztkontakt gibt es nur in Stufe 1 und 2.

Der Behandlungsalgorithmus kann aus [Abb. 1] entnommen werden.

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Abb. 1 Flowchart Emergency Severity Index (ESI) Version 5. Der eintreffende Patient wird bezüglich einer vitalen Gefährdung, die eine sofortige lebensrettende Maßnahme benötigt, analysiert. Falls diese Situation vorliegt, wird eine Triage in Kategorie 1 vorgenommen mit einer sofortigen Behandlungsnotwendigkeit. Falls dies nicht zutrifft, wird analysiert, ob der Patient bei einer längeren Wartezeit eine potenziell vitale Gefährdung erleiden könnte, und eine Eingruppierung in Stufe 2 findet statt. Die maximale Wartezeit beträgt 10 min. Falls dies ebenfalls nicht zutrifft, wird beurteilt, wie viele Ressourcen für die Behandlung notwendig sind. Vitalparameter werden ebenfalls erhoben. Falls hieraus eine vitale Gefährdung hervorgeht, wird eine Höherstufung vorgenommen. Falls nicht, erfolgt die Eingruppierung je nach Umfang der Ressourcen in die Gruppen 3–5.

Als eine Ressource gelten Leistungen, die über die körperliche Untersuchung hinausgehen und notwendig sind, um das weitere Prozedere festzulegen. Hierzu zählen apparative Diagnostiken wie beispielsweise Sonografie, Computertomografie, EKG, aber auch die Anfertigung von Gipsen und Blutuntersuchungen im Labor. Des Weiteren zählt als Ressource die Verabreichung von intravenösen, intramuskulären oder inhalativen Medikamenten. Nicht als Ressource zählen vorgefertigte Schienen/Bandagen, die Verabreichung einer Heparinspritze oder eine einfache Wundversorgung [15].

Merke

Das Ziel des ESI ist eine effiziente und ressourcenschonende Arbeit in der Notaufnahme, in der Prinzipien der ursprünglichen Triage (s. Historie) angewendet werden [7].

In den USA ist der ESI ein zugelassenes Triage-Instrumentarium, in dem kritische Patienten herausgefiltert und die Masse an Patienten in verschiedene Behandlungsbereiche zugeteilt werden [7] [15].

In Deutschland ist die Implementierung des ESI schwierig, da es klare Richtlinien für die personelle Erfahrung der Triage gibt. Die Empfehlung ist, dass die Triage von einer erfahrenen Notfallpflege durchgeführt wird [15]. In Deutschland muss im Rahmen des Personalmangels in einigen Fällen auf medizinische Fachangestellte oder Rettungsassistenten und Notfallpflege mit unterschiedlichen Ausbildungsständen zurückgegriffen werden [7] [14].

Eine Analyse der Validität der Version 4 des ESI von Sax et al., wobei über 5 Millionen Notaufnahmebegegnungen eingeschlossen wurden, zeigt, dass es in 1,7 Millionen Fällen (32,2%) zu einer Fehltriage kam: in 176000 Fällen (3,3%) zu einer Untertriage und in 1,5 Millionen Fällen (28,9%) zu einer Übertriage [14].

Fallbeispiel

Fall 2

Ein 28-jähriger Motorradfahrer kommt nach einem Verkehrsunfall in die Notaufnahme. Er ist wach und ansprechbar, klagt jedoch über massive Schmerzen im linken Unterarm. Es zeigt sich eine offene Unterarmfraktur mit sichtbarem Knochenfragment. Der Patient blutet mäßig aus der Wunde.

Vitalzeichen

  • Blutdruck: 120/80 mmHg

  • Herzfrequenz: 98 bpm

  • Sauerstoffsättigung: 97%

  • Atemfrequenz: 20/min

  • Temperatur: 37,0 °C

Manchester Triage System (MTS)

  • Hauptbeschwerde: Trauma/starke Schmerzen

  • Indikatoren: offene Fraktur, sichtbarer Knochen, Blutung

  • Prioritätsstufe: orange (Kategorie 2) – sehr dringend

  • Begründung: Hohe Infektionsgefahr, Blutverlust und starke Schmerzen erfordern eine Behandlung innerhalb von 10 min.

Australasian Triage Scale (ATS)

  • Hauptbeschwerde: offene Fraktur nach Trauma

  • Indikatoren: offene Verletzung, sichtbare Knochenstruktur, starke Schmerzen

  • Prioritätsstufe: Kategorie 2 – sehr dringend

  • Begründung: Die offene Fraktur birgt ein hohes Infektionsrisiko und erfordert rasche Wundversorgung, Blutstillung sowie Schmerztherapie (Behandlung innerhalb von 10 min).

Emergency Severity Index (ESI)

  • Hauptbeschwerde: Offene Fraktur nach Trauma

  • Ressourcenbedarf:

    • Wundversorgung → 1 Ressource.

    • Bildgebung (Röntgen) → 1 Ressource.

    • Schmerztherapie → 1 Ressource.

  • Prioritätsstufe: ESI 2 – sehr dringend

  • Begründung: Die offene Fraktur erfordert mindestens 3 Ressourcen und birgt akute Risiken → Einstufung als ESI 2.


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Manchester Triage System (MTS)

Das Manchester Triage System (MTS) entstand in den frühen 1990er-Jahren auf einer Serviette, als der ärztliche Leiter der Notaufnahme des Salford Hospital in Manchester und die pflegerische Leitung dieser Notaufnahme ihre Unzufriedenheit über das bestehende System der Triage diskutierten. Die Skizze sollte die Grundlage für das MTS bilden. Im Verlauf wurde die Idee weiterentwickelt, und diverse andere Krankenhäuser wie auch Fachabteilungen schlossen sich an. Ziel war es, eine Vereinheitlichung der aktuell geltenden Triage unterschiedlicher Fachabteilungen und Krankenhäuser zu erzielen [7].

Übersicht

Manchester Triage System (MTS)

  • Das primäre Ziel der Manchester Triage Group war die Entwicklung einer einheitlichen Terminologie und eines standardisierten Vorgehens für die Triage.

  • Es war von vornherein klar, dass das System robust genug sein musste, um unter hoher Arbeitslast effizient zu funktionieren, und gleichzeitig so schnell, dass es den zeitkritischen Anforderungen einer Notaufnahme gerecht wird.

  • Ein zentraler Punkt der Entwicklung war die Entscheidung, die Dringlichkeit ausschließlich auf Basis der Symptome und Beschwerden der Patienten zu bestimmen und auf den Einsatz von Diagnosen zu verzichten.

  • Diese symptomorientierte Herangehensweise stellte sicher, dass die Triage sowohl schnell als auch zuverlässig durchgeführt werden konnte.

  • Die Zeit zwischen Eintreffen des Patienten und Ersteinschätzung sollte nicht länger als 5 min dauern.

([4] [6] [7])

Das MTS besteht aus 52 Beschwerdebildern, die in Präsentationsdiagrammen strukturiert sind und insgesamt 191 Symptome umfassen. Als Symptome gelten beispielsweise „Bauchschmerzen“ oder „Kopfschmerzen“. Diese Symptome werden in 5 Gefährdungsstufen unterteilt, für die jeweils Zeitfenster für den spätesten Arztkontakt definiert sind, um eine Gefährdung des Patienten zu vermeiden. Hierzu zählen beispielsweise „Lebensbedrohung“ oder „Schmerz“. Des Weiteren werden auch Vitalparameter erfasst [4] [16].

Merke

Die Behandlungsdringlichkeit wird in Form von Farbcodes wiedergegeben (s. [Abb. 2] u. [Tab. 1]).

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Abb. 2 Farbcodierung im Manchester Triage System (MTS). Links: Zuweisung der Farbe zu der Behandlungsdringlichkeit (Mitte). Ganz rechts sind die Zeiten bis Behandlungsbeginn vermerkt.

Im Unterschied zu den vorgenannten Systemen wird im Rahmen des MTS nicht mit Diagnosen, sondern lediglich mit Symptomen gearbeitet, die dann in einem Präsentationsdiagramm abgearbeitet werden. Der Behandlungsalgorithmus ist in [Abb. 3] dargestellt.

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Abb. 3 Präsentationsdiagramm zu dem Symptom „Gelenkschmerz“. Links finden sich die Gefährdungsstufen, die rechtsstehend zu einem Behandlungszeitfenster führen und mit einer Farbcodierung versehen sind [16].

Das System bietet zudem eine Struktur zur Zuweisung von Patienten in spezifische Behandlungsbereiche, die jedoch individuell an die Gegebenheiten des jeweiligen Krankenhauses angepasst werden muss [16].

Nach Abschluss der Entwicklungsarbeit im Jahr 1995 begann die Implementierung des MTS in den Notaufnahmen Manchesters. Auf regionalen und nationalen Konferenzen stieß das System auf großes Interesse, sodass es sich rasch in ganz Großbritannien verbreitete. Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung des MTS gab, wurde es faktisch zum Standard im NHS. Im Jahr 1997 wurde das System erstmals in Buchform veröffentlicht, und im selben Jahr wurde es auch international nachgefragt. Länder wie Irland, die Niederlande und Portugal übernahmen es als Standard, und es wurde in Krankenhäusern in Belgien, Schweden und Spanien implementiert [4] [7].

2004 wurde das MTS in einer modifizierten Version erstmals in Deutschland eingeführt, als ein Verbund von 7 Krankenhäusern in Hamburg das System adaptierte, um die Abläufe in ihren Notaufnahmen zu optimieren. Seitdem hat sich das MTS in Deutschland rasch verbreitet [7].

Mit der Veröffentlichung der überarbeiteten und erweiterten 2. Ausgabe des MTS im Jahr 2006 gründete die Manchester Triage Group eine internationale Referenzgruppe, die den Einsatz des Systems in verschiedenen Ländern koordiniert. Nationale Referenzgruppen sind für die Übersetzung, Schulung und Verbreitung des MTS in den jeweiligen Ländern verantwortlich. Auf jährlichen internationalen Treffen tauschen sich die Vertreter dieser Gruppen über Anwendungsprobleme aus und entscheiden gemeinsam über zukünftige Weiterentwicklungen des Systems. Diese internationale Vernetzung und kontrollierte Weiterentwicklung sind einzigartig im Bereich der Triage-Systeme [16].

In einer Metaanalyse von Zacchariasse et al. konnte festgestellt werden, dass das Manchester Triage System verglichen mit dem ESI ähnliche Resultate in der Rate der Krankenhausaufnahmen und Vorhersage der Sterblichkeit nachweist. Gleichzeitig erzielte das MTS eine geringere Rate an Untertriage (MTS 8,3% versus ESI 13,5%) mit jedoch einer deutlich höheren Rate an Übertriage [12].

Tab. 1 Dringlichkeitsstufen des Manchester Triage System (MTS) [16].

Farbcode

Patientenzustand und Dinglichkeit

Zeit bis Behandlungsbeginn

Rot

Unmittelbare Lebensgefahr.

Eine sofortige Behandlung ist indiziert.

0 min

Orange

Dringende medizinische Hilfe ist notwendig, jedoch kann der Patient kurz warten.

10 min

Gelb

Mittlere Dringlichkeit.

Es sollte eine zeitnahe Behandlung erfolgen, jedoch kann eine kurze Wartezeit toleriert werden.

30 min

Grün

Medizinische Hilfe wird benötigt, jedoch ohne Dringlichkeit.

2 h

Blau

Die Behandlung bedarf keiner unmittelbaren Notwendigkeit.

Der Patient kann warten, bis Ressourcen verfügbar sind.

4 h

Fallbeispiel

Fall 3

Ein 65-jähriger Mann kommt nach einem Sturz auf die Hüfte (zu Hause auf nassem Boden) in die Notaufnahme. Der Patient klagt über extreme Schmerzen in der linken Hüfte und kann das Bein nicht mehr bewegen oder belasten. Es zeigt sich eine mögliche Verkürzung und Außenrotation des linken Beins.

Manchester Triage System (MTS)

  • Hauptbeschwerde: Trauma/Sturz

  • Indikatoren: Fehlstellung, Bewegungsunfähigkeit, starke Schmerzen

  • Prioritätsstufe: gelb (Kategorie 3) – dringend

  • Begründung: Der Patient zeigt stabile Vitalzeichen, jedoch klare Hinweise auf eine Fraktur → Behandlung innerhalb von 30 min.

Australasian Triage Scale (ATS)

  • Hauptbeschwerde: Sturz mit Hüftschmerzen

  • Indikatoren: Fehlstellung, Bewegungsunfähigkeit, Schmerzen

  • Prioritätsstufe: Kategorie 3 – dringend

  • Begründung: Verdacht auf Schenkelhalsfraktur mit Schmerzen, jedoch stabile Vitalzeichen → Versorgung innerhalb von 30 min erforderlich.

Emergency Severity Index (ESI)

  • Hauptbeschwerde: Hüfttrauma nach Sturz

  • Ressourcenbedarf:

    • Bildgebung (Röntgen, ggf. CT) → 1 Ressource

    • Schmerztherapie → 1 Ressource

  • Prioritätsstufe: ESI 3 – dringend

  • Begründung: Der Patient benötigt mindestens 2 Ressourcen, zeigt jedoch stabile Vitalzeichen → Einstufung als ESI 3.


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Scoring-Systeme

Zur objektiveren Einschätzung speziell von Traumapatienten können diverse Scoring-Systeme im Rahmen der Triage in der Notaufnahme verwendet werden. Sie dienen der standardisierten Einschätzung der Verletzungsschwere und ermöglichen eine objektive Prognosestellung sowie den Vergleich verschiedener Patientenkollektive. Im Folgenden sollen die wichtigsten Scoring-Systeme erläutert werden [17].

Abbreviated Injury Scale (AIS)

Der AIS stellt die Grundlage für viele andere Scoring-Systeme dar und klassifiziert einzelne Verletzungen nach dem Schweregrad und kann eine Einteilung in 6 Stufen vornehmen, wobei 1 eine geringe Verletzung und 6 eine maximale, derzeit nicht behandelbare Verletzung darstellt. Der AIS berücksichtigt 9 Körperregionen. Hierzu zählen:

  • Kopf, Gesicht,

  • Hals,

  • Thorax,

  • Abdomen,

  • Wirbelsäule,

  • obere Extremitäten,

  • untere Extremitäten und

  • Externe/Andere [18].


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Revised Trauma Score (RTS)

Beim RTS handelt es sich um ein physiologisches Scoring-System, das auf den ersten erhobenen Vitalparametern basiert. Berücksichtigt werden

  • die Glasgow Coma Scale (GCS),

  • der systolische Blutdruck und

  • die Atemfrequenz.

Die Parameter werden über eine Formel verrechnet, und es resultieren Werte zwischen 0 und 7,8408. Niedrigere Werte bedeuten eine schlechtere Prognose [19].


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Injury Severity Score (ISS)

Der ISS basiert auf der AIS und quantifiziert die Gesamtverletzungsschwere bei Patienten mit Mehrfachverletzungen. Der Körper wird in 6 Regionen unterteilt, und den 3 schwersten verletzten Regionen wird der AIS von 1–6 zugeteilt. Die Regionen sind

  • Kopf (ohne Gesichtsschädel) und Nackenbereich,

  • Gesicht,

  • Brust,

  • Abdomen,

  • Extremitäten,

  • extern; zu extern zählen Orthopädie und Unfallchirurgie

    • Schürfungen,

    • Schnittverletzungen,

    • Prellungen,

    • Hämatome unabhängig der Lokalisation,

    • Verbrennungen, Hypothermie und Stromverletzungen.

Der ISS reicht von 1–75, wobei ein höherer Score eine schwerere Verletzung widerspiegelt. Ein ISS über 15 stellt ein schweres Trauma dar. Sollte in einer Lokalisation die Verletzung mit „6“ betitelt werden, ist der ISS automatisch bei 75 [20].


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Trauma and Injury Severity Score (TRISS)

Der TRISS kombiniert anatomische und physiologischen Daten, um ein mögliches Überleben abzuschätzen. Hierbei werden der RTS, ISS, das Patientenalter und die Art der Verletzung (stumpf versus penetrierend) einbezogen.

Merke

In einer Studie von Höke et al. konnte gezeigt werden, dass der TRISS am genauesten die Mortalität eines Traumapatienten vorhersagen kann [21].

Fallbeispiel

Resümee

Die unterschiedlichen Einteilungen der verschiedenen Triage-Systeme der Fallbeispiele zeigt [Tab. 2].

Tab. 2 Einteilungen der verschiedenen Triage-Systeme der Fallbeispiele.

Fallbeispiel

Manchester Triage (MTS)

Australasian Triage (ATS)

Emergency Severity Index (ESI)

1 – Femurschaftfraktur

Kategorie 2 (orange)

Kategorie 2

ESI 2

2 – offene Unterarmfraktur

Kategorie 2 (orange)

Kategorie 2

ESI 2

3 – Schenkelhalsfraktur

Kategorie 3 (gelb)

Kategorie 3

ESI 3


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Zusammenfassung

Die Triage von Patienten ist dann notwendig, wenn der Ansturm der Patienten die Ressourcen übersteigt. In Zeiten einer hohen Auslastung von Notaufnahmen sowie weiteren Einflüssen wie Personalmangel ist die Durchführung einer akkuraten Triage essenziell und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Brisanz dieses Themas spiegelt sich auch in dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 06. Juli 2023 wider [22], der eine Richtlinie zur Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung erstellt.

Merke

Ziel ist es, Hilfesuchenden in Notaufnahmen schnell und zuverlässig zu beurteilen, um sie entsprechend ihrem medizinischen Bedarf entweder in der Klinik oder in der vertragsärztlichen Versorgung zu behandeln.

Die Wurzeln der Triage gehen in das 18. Jahrhundert zurück und wurden dort in der Militärmedizin durch Dominique-Jean Larrey etabliert, um eine medizinische Versorgung von verwundeten Soldaten unabhängig ihres Ranges oder ihrer Herkunft zu gewährleisten.

Moderne Triage-Systeme etablierten sich letztlich aus der Ressourcenknappheit in den Notaufnahmen. Diverse Modelle haben sich in unterschiedlichen Ländern etabliert, wobei als gemeinsamer Goldstandard eine 5-stufige Triagierung gesehen wird. Ansprüche an Triage-Systeme sind ein schneller Ablauf mit einer Verfügbarkeit rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Des Weiteren muss das System leicht verständlich sein, eine hohe Validität, Reliabilität und Sensitivität aufweisen und robust gegen äußere Einflussfaktoren sein.

In Australien und Neuseeland hat sich die Australasian Triage Scale (ATS) etabliert, wohingegen in Kanada die Canadian Triage and Acuity Scale (CTAS) häufig angewendet wird und eine Weiterentwicklung des ATS ist. Der Emergency Severity Index (ESI) findet häufig in den USA Anwendung. Das in Deutschland am häufigsten verwendete Triage-System ist das Manchester Triage System (MTS) mit unterschiedlichen Farbcodierungen und einzuhaltenden Sichtungszeiten.

Speziell bei Traumapatienten ist der Einbezug von diversen Scoring-Systemen sinnvoll, um eine Vorhersage über die Mortalität treffen und die Schwere des Traumas einschätzen zu können. Laut Studien ist hier der Trauma and Injury Severity Score (TRISS) am zuverlässigsten.

Kernaussagen
  • Ein zunehmender Ansturm an Patienten auf die Notaufnahmen macht eine Triage notwendig, um Ressourcen sinnvoll zu nutzen.

  • Eine Zuordnung zu Behandlungsdringlichkeiten sollte nicht dem Zufall überlassen sein, sondern einem standardisierten Triage-System unterliegen.

  • Die Behandlungsreihenfolge in Triage-Systemen wird anhand der Dringlichkeit und der Schwere der Verletzung/Erkrankung festgelegt.

  • Am zuverlässigsten erwiesen sich 5-stufige Triage-Systeme.

  • Ein Triage-System sollte von allen Beteiligten des Gesundheitswesens angewendet werden können.

  • Eine Reevaluation der jeweiligen Triage-Stufe sollte nach einer vorgegebenen Zeit durchgeführt werden.


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Erratum: Triage des Traumapatienten in der Zentralen Notaufnahme

Im oben genannten Artikel war in der Tabelle 1 die maximale Wartezeit für die Dringlichkeitsstufe "Gelb"nach Manchester Triage System falsch angegeben. Korrekt sind 30 min. Die Korrektur wurde in der Onlineversion des Artikels ausgeführt am: 21.03.2025


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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Anna Goth, Frankfurt am Main.


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Dr. med. Anna Goth


2014–2020 Studium der Humanmedizin an der Vilnius University und Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2023 als Assistenzärztin an der BG Unfallklinik Frankfurt tätig mit vorhergehender Tätigkeit in der Klinik Gut, Schweiz sowie der BG Unfallklinik Murnau. Seit 2023 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin.

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Dr. med. Daniel Anthony Koch


Jahrgang 1988. Dr. med., Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Notfallmedizin in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main. Stellv. Ärztlicher Leiter Notarztstandort Christoph 2 und NEF 1, Frankfurt. Ärztlicher Leiter NEF 2, Wetteraukreis.

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Priv.Doz. Dr. med. habil. Uwe Schweigkofler


Jahrgang 1964. PD Dr. med. habil. Stellvertretender ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main, Sektionsleitung der Akuttraumatologie. Zuvor viele Jahre als Leitender Arzt des Notfall- und Rettungszentrums (Notarzteinsatzfahrzeug 1 und Rettungshubschrauber Christoph 2) tätig. Leitender Notarzt, ehemaliger Notarzt auf dem Rettungshubschrauber Christoph 2. Aktives Mitglied in vielen notfallmedizinisch orientierten Gremien und Sektionen der DIVI und DGU.

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Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht‐Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Anna Goth
BG Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbH
Friedberger Landstraße 430
60389 Frankfurt am Main
Deutschland   

Publication History

Article published online:
26 February 2025

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Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Flowchart Emergency Severity Index (ESI) Version 5. Der eintreffende Patient wird bezüglich einer vitalen Gefährdung, die eine sofortige lebensrettende Maßnahme benötigt, analysiert. Falls diese Situation vorliegt, wird eine Triage in Kategorie 1 vorgenommen mit einer sofortigen Behandlungsnotwendigkeit. Falls dies nicht zutrifft, wird analysiert, ob der Patient bei einer längeren Wartezeit eine potenziell vitale Gefährdung erleiden könnte, und eine Eingruppierung in Stufe 2 findet statt. Die maximale Wartezeit beträgt 10 min. Falls dies ebenfalls nicht zutrifft, wird beurteilt, wie viele Ressourcen für die Behandlung notwendig sind. Vitalparameter werden ebenfalls erhoben. Falls hieraus eine vitale Gefährdung hervorgeht, wird eine Höherstufung vorgenommen. Falls nicht, erfolgt die Eingruppierung je nach Umfang der Ressourcen in die Gruppen 3–5.
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Abb. 2 Farbcodierung im Manchester Triage System (MTS). Links: Zuweisung der Farbe zu der Behandlungsdringlichkeit (Mitte). Ganz rechts sind die Zeiten bis Behandlungsbeginn vermerkt.
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Abb. 3 Präsentationsdiagramm zu dem Symptom „Gelenkschmerz“. Links finden sich die Gefährdungsstufen, die rechtsstehend zu einem Behandlungszeitfenster führen und mit einer Farbcodierung versehen sind [16].