Allgemeinmedizin up2date 2025; 06(01): 29-44
DOI: 10.1055/a-2246-7841
Allgemeines - Notfall - Prävention

Früherkennung von Hautkrebs in der allgemeinmedizinischen Praxis

Claudia Dolcet
 

Längst nicht alle Patienten ab 35 Jahre nutzen die Möglichkeit zur Hautkrebsvorsorge, so dass bösartige Hautveränderungen u.U. erst sehr spät erkannt werden. Umso mehr sollten wir in der Hausarztpraxis auch bei kleinen Läsionen genau hinsehen und jeden Verdacht auf Malignität abklären lassen. Dieser Beitrag soll Ihren diagnostischen Blick schärfen, erklärt Risikofaktoren und beleuchtet typische Merkmale der Hautkrebsarten.


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Einleitung

Eine von drei Krebsdiagnosen in Europa lautet Hautkrebs. Europa ist weltweit Spitzenreiter bei der Anzahl der Krebsfälle, die auf UV-Strahlung zurückzuführen sind. Europa weist – neben der höchsten Anzahl an Melanomfällen weltweit – die zweithöchste Anzahl auf bei den Arten von Krebs, der von epidermalen Zellen ausgeht, dem sog. Non-Melanoma-Skin-Cancer (NMSC). Hierzu zählen in erster Linie das Basalzellkarzinom (BCC) und das Plattenepithelkarzinom (PE-CA), beide sind maligne epitheliale Tumore der Haut. In den nächsten Jahrzehnten ist ein weiterer Anstieg der Inzidenz von NMSC um mehr als 40% zu erwarten, wie auch ein Anstieg der Mortalität um 50%. Die Sterblichkeitsrate bei Männern durch NMSC ist ähnlich hoch wie die Sterblichkeitsrate bei Frauen durch Melanome – die wohl am meisten gefürchtete Form von Hautkrebs. Die Früherkennung von Hautkrebs ist ein zentrales Element der Prävention und frühen Diagnose. Dabei sind das Hautkrebs-Screening und die Selbstuntersuchungen entscheidend, um die Mortalität zu reduzieren [1], [2], [3], [4].

Merke

Die 2 Hauptfaktoren für die Zunahme der Hautkrebsinzidenz und Hautkrebssterblichkeit sind die Überalterung der Bevölkerung und vor allem die UV-Exposition [4].

Unter den Hautkrebsarten gibt es 3, die besonders häufig auftreten und eine zentrale Rolle in der dermatologischen und allgemeinmedizinischen Praxis spielen:

  • Basalzellkarzinom,

  • Plattenepithelkarzinom und

  • malignes Melanom.

Diese Tumorarten unterscheiden sich in ihrer Aggressivität, ihrem Entstehungsmechanismus und in der Therapie, haben jedoch eines gemeinsam: Eine frühe Diagnose verbessert die Heilungschancen erheblich. Daher ist es essenziell, die klinischen Zeichen und Risikofaktoren zu verstehen, um eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung zu gewährleisten. Maligne epitheliale Tumoren der Haut umfassen verschiedene Entitäten mit unterschiedlichem malignem Potenzial, wobei deren Präkanzerosen eine bedeutende Rolle in der Tumorentwicklung und damit auch in der Früherkennung spielen [1], [5].

Infobox 1

Überblick über die malignen epithelialen Tumore der Haut und Präkanzerosen [1], [5], [6]

  • Aktinische Keratose: Präkanzerose; chronische UV-Exposition ursächlich

  • Plattenepithelkarzinom: invasiv; potenziell metastasierend

  • Epithelioma cuniculatum: Variante des PE-CA, typisch an den Fußsohlen, warzenähnlich, knotig

  • Epithelioma acuminatum giganteum: exophytische massive warzenartig wuchernde Form des PE-CA; meist genital

  • Basalzellkarzinom: häufigster Hautkrebs; lokal invasiv, aber äußerst selten metastasierend

  • Cornu cutaneum: hyperkeratotische, hornartige Läsion; aus gutartigen Hautveränderungen hervorgehend, aber auch aus Präkanzerosen

  • Morbus Bowen: in-situ PE-CA, das die gesamte Epidermis umfasst

  • Erythroplasie: präkanzeröse rot-samtige Schleimhautveränderung; Mundhöhle oder Genitale

  • Leukoplakie: präkanzeröse weiße, nicht abwischbare Schleimhautveränderung; v.a. Mund ([Abb. 1])

  • Morbus Paget: selten; langsam fortschreitend; Brustwarze oder Genitalbereich; kann in die darunterliegenden Drüsenstrukturen invadieren; auch „extramammärer Paget“ möglich

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Abb. 1 Leukoplakie. Quelle: Lang B. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424
Fallbeispiel 1

Schuppende Brustwarze


Eine 60-jährige Frau stellt sich in Ihrer Ordination mit wiederkehrendem Ekzem an der Brustwarze vor. Sie habe bereits über Wochen selbst eine Heilsalbe und Heilkräuterbehandlung versucht, ohne Besserung. Sie sehen folgendes klinisches Bild ([Abb. 2]) und geben der Patientin aufgrund der länger bestehenden Symptomatik eine Überweisung zur fachärztlichen dermatologischen Untersuchung mit.

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Abb. 2 Morbus Paget der Mamille. Quelle: Röcken M, Schaller M, Sattler E, French L. Morbus Paget. In: Röcken M, Schaller M, Sattler E, French L, Hrsg. Taschenatlas Dermatologie. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004–14065

Monate danach kommt die Patientin wieder in Ihre Ordination und berichtet, wegen eines traurigen Todesfalls in der Familie viele Sorgen gehabt zu haben. Ihr hätten Zeit und auch Motivation gefehlt, um einen Termin beim Dermatologen zu vereinbaren. Auch die Überweisung, die Sie ihr damals ausgestellt hatten, habe sie verloren. Die Hautstelle sehe nun aber „schlimm“ aus, obwohl sie weder juckt noch Schmerzen verursache. Bei der klinischen Inspektion der Brust sehen sie nun folgendes Bild ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Morbus Paget der Mamille – fortgeschritten. Quelle: Hauswirth U. Morbus Paget der Mamille. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638

Da Sie die psychosoziale Überforderungssituation der Patientin erkennen, bieten Sie der Patientin konkrete Hilfestellung an und vereinbaren gemeinsam mit ihr einen raschen Termin beim Dermatologen. Dieser tätigt die notwendige Biopsie mit dermatohistopathologischer Befundanforderung: Es bestätigt sich ein Morbus Paget der Mamille. Rasch kann die notwendige Behandlung eingeleitet und eine weitere Tumorprogression verhindert werden.


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Basalzellkarzinom

Das Basalzellkarzinom (BCC), auch Basaliom genannt, ist der häufigste maligne Hauttumor in Mitteleuropa. Es tritt besonders bei älteren Menschen auf, das Durchschnittsalter liegt bei 72 Jahren. In der dermatologischen Praxis wird das BCC aber immer wieder auch bei Patienten im jüngeren Lebensalter, etwa um das 40. Lebensjahr, festgestellt [2], [4].

Merke

Die Tumorentstehung geht aus von epidermalen Stammzellen der äußeren Haarwurzelscheide, die sich im Wulst des Haarfollikels befinden. Dies erklärt das Auftreten des Basalzellkarzinoms ausschließlich auf haarwurzeltragender Haut [7].

Das BCC ist ein langsam wachsender, fibroepithelialer Hauttumor. Obwohl es infiltrierend und zerstörend wächst, metastasiert es nur äußerst selten, weshalb es oft als semimaligner Tumor eingestuft wird. Trotz seiner schwachen Metastasierungstendenz kann das Basaliom in fortgeschrittenen Stadien zu erheblichen lokalen Defekten führen, große chirurgische Resektionen erforderlich machen und damit die Lebensqualität der Betroffenen maßgeblich beeinflussen [1], [2], [7]. Ein Basaliom kann über lange Zeiträume wachsen und sich in unterschiedlichen klinischen Typen präsentieren. Bei fortgeschrittenem Wachstum kann es zu Ulzerationen kommen. Auch können diese Tumore in verschiedene Subtypen übergehen, wobei Kombinationen mehrerer Subtypen innerhalb desselben Tumors möglich sind [1], [5].

Infobox 2

Die klinischen Formen des Basalzellkarzinoms [1], [2], [6]

  • knotiges BCC (noduläres BCC): häufigste Form; typisch ist eine rosafarbene Papel oder ein Knoten mit baumartig verzweigten Gefäßen (arborisierend); die Tumorgrenzen sind meist scharf abgrenzbar

  • superfizielles BCC: Prävalenz etwa 15% der Fälle; zeigt flache, erythematöse Läsionen, die eher an Ekzeme erinnern; tritt bevorzugt am Rumpf auf (Rumpfhautbasaliom)

  • sklerodermiformes BCC (fibrosierendes BCC): diese aggressive Form (ca. 15% der Fälle) ist klinisch unscharf begrenzt und kann schwer zu erkennen sein; oft imponiert es als weitgehend im Hautniveau liegende elfenbeinfarbige derbe, glänzende Infiltratplatte mit Teleangiektasien; oft schwer von derben Narbenplatten zu unterscheiden

  • pigmentiertes BCC: <5% der Fälle; die Tumore weisen unterschiedlich starke Pigmentierung auf

  • ulzeriertes BCC: kann oberflächlich ulzeriert sein (Ulcus rodens) oder in seltenen Fällen tief destruktiv wachsen (Ulcus terebrans)

Das noduläre Basalzellkarzinom zeigt sich als rosafarbene Papel oder Knoten mit charakteristischen arborisierenden Gefäßen ([Abb. 4]). Der Tumor ist meist gut abgegrenzt.

Im Gegensatz dazu ist das sklerodermiforme BCC oft schwierig zu identifizieren, da es sich unscharf und narbenartig präsentiert.

Eine weitere Variante, das mikronoduläre BCC, kann durch sogenannte „Skip Lesions“ größere, klinisch unauffällige Hautareale betreffen. Diese Läsionen machen es schwer, das vollständige Ausmaß des Tumors makroskopisch zu erfassen.
Das superfizielle Basaliom ist eine frühe Form des Tumors, die sich durch flache, rötliche und oft schuppende Flecken auf der Haut manifestiert. Es tritt häufig am Rumpf auf und kann leicht mit gutartigen Hauterkrankungen verwechselt werden.
Das pigmentierte Basalzellkarzinom zeigt eine teils dunkle Pigmentierung, die es schwer macht, das Basalzellkarzinom klinisch vom Melanom zu unterscheiden. Eine genaue Diagnose erfordert hier meist eine Biopsie mit histopathologischer Untersuchung [1], [5], [6].

Merke

Das Basalzellkarzinom ist der häufigste Hauttumor in Mitteleuropa und tritt in verschiedenen klinischen Formen auf. Obwohl es selten metastasiert, kann es lokal zerstörerisch wachsen [4].

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Abb. 4 Noduläres Basalzellkarzinom. Quelle: Kiecker F. Basalzellkarzinom. In: Sterry W, Czaika V, Drecoll U, Hadshiew I, Kiecker F, Papakostas D, Philipp S, Stefaniak R, Stieler K et al., Hrsg. Kurzlehrbuch Dermatologie. 3., unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022. DOI: 10.1055/b000000823
Fallbeispiel 2

Alte Narbe an der Kopfhaut


Ein 74-jähriger Landwirt stellt sich bei Ihnen zur Vorsorgeuntersuchung vor. Bei der physikalischen Untersuchung fällt Ihnen eine Hautveränderung am Capillitium auf ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Narbig imponierende derbe Plaque mit kleinen Ulzerationen und Teleangiektasien. Quelle: Kaufmann R, Podda M, Meissner M, Kovács M, Valesky E. Techniken. In: Kaufmann R, Podda M, Hrsg. Dermatologische Operationen. 5., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020. DOI: 10.1055/b000000030

Auf aktives Nachfragen bezüglich des Alters der Hautläsion erzählt der Patient, er sei vor einigen Jahren beim Kirschpflücken von der Leiter gerutscht und habe sich an der Baumrinde den Kopf aufgescheuert. Er betont, es sei nur eine alte Wunde. Es habe danach mehrere Wochen gedauert, bis sie einigermaßen abgeheilt sei, es wären seither aber immer wieder offene Stellen und Krusten an dieser Stelle aufgefallen.


Sie überweisen den Patienten – nach wohlwollendem Zuspruch bezüglich der Notwendigkeit der genaueren Untersuchung – zum Hautfacharzt mit der Verdachtsdiagnose „Basalzellkarzinom“. Dort wird eine Stanzbiopsie entnommen, die Ihren Verdacht mit der histopathologischen Diagnose eines Basalzellkarzinoms mit Fibrosierung erhärtet. Bei schlechter Verschieblichkeit des Tumors wird mittels Bildgebung eine Infiltration in die Schädelkalotte ausgeschlossen und eine chirurgische Sanierung an der dermatochirurgischen Abteilung des zuständigen Krankenhauses veranlasst.

Die [Tab. 1] zeigt, welche Risikofaktoren für die Genese eines Basalzellkarzinoms relevant sind.

Tab. 1 Risikofaktoren für die Entstehung eines Basalzellkarzinoms [5].

Risikofaktor

Details

Risikofaktor

intermittierende / Freizeit Sonnenexposition

andere UV-Belichtungen (PUVA, Solarien)

ionisierende Strahlung

Arsenexposition

Chemikalienexposition (v.a. Kohlenteer, polyzyklische aromatische Wasserstoffverbindungen, polychlorierte Biphenyle, Psoralen [mit UVA], Stickstoffsenfstoffe, 4,4′-Bipyridin)

allgemeine Risikofaktoren

blondes Haar

häufig Sonnenbrände ohne Bräunung

Sommersprossen (sog. „Freckling“)

rotes Haar

Pigmentphänotyp

Xeroderma pigmentosum

okulokutaner Albinismus

Muir-Torre Syndrom

naevoides Basalzellkarzinom Syndrom = Gorlin-Goltz-Syndrom

Bazex Syndrom (paraneoplastische Akrokeratose)

Rombo Syndrom

genetische Syndrome

Naevus sebaceus ([Abb. 6])

prädisponierende klinische Faktoren

Z.n. Organtransplantation

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Abb. 6 Naevus sebaceus. Quelle: Kiecker F. Naevus sebaceus. In: Sterry W, Czaika V, Drecoll U, Hadshiew I, Kiecker F, Papakostas D, Philipp S, Stefaniak R, Stieler K et al., Hrsg. Kurzlehrbuch Dermatologie. 3., unveränderte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG; 2022. DOI: 10.1055/b000000823

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Aktinische Keratosen

Aktinische Keratosen (AK) stellen präkanzeröse Läsionen des Plattenepithelkarzinoms der Haut dar, die potenziell zu invasiven Karzinomen fortschreiten können. Sie sind vor allem an UV-exponierter Haut, aber auch am Lippenrot zu finden. Klinisch manifestieren sie sich typischerweise als raue Papeln oder flache Plaques auf erythematösem Grund, häufig begleitet von weißlich bis gelblicher Schuppung. Ein charakteristisches Merkmal dieser Läsionen ist die raue Oberfläche, die insbesondere bei palpatorischer Untersuchung oder leichtem Überstreichen der betroffenen Hautareale auffällt ([Abb. 7]).

Merke

Da aktinische Keratosen als Vorstufe eines malignen Tumors gelten, ist ihre frühzeitige Diagnose und Behandlung von großer Bedeutung, um die Entstehung eines invasiven Plattenepithelkarzinoms zu verhindern.

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Abb. 7 Aktinische Keratose. a AK der Handrücken; b AK der Wange. Quelle: Lang B. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424

Aktinische Keratosen können verhältnismäßig kostengünstig und effektiv behandelt werden. Therapeutische Ansätze umfassen topische Behandlungen, Kryotherapie, chirurgische Abtragungen sowie photodynamische Therapie. Regelmäßige Hautkontrollen sind essenziell, um das Progressionsrisiko zu verringern. Die AK wird in 3 Schweregrade unterteilt, um ihr Fortschreiten und das Risiko einer Entwicklung zu invasiven Plattenepithelkarzinomen besser einzuschätzen (siehe [Tab. 2]). Die AK präsentiert sich

  • anfangs als erythematöser Typ, also als gerötete Plaque mit fein verästelt gezeichnetem Blutgefäßmuster, und

  • später als keratotischer Typ, mit Hyperkeratosen mit weiß-höckriger Oberfläche, wobei auch „Hornbildung“ in Form eines Cornu cutaneum vorkommen kann.

Ein Cornu cutaneum ist die klinische Bezeichnung für hervorstehende Hyperkeratosen, also Verhornungen, die im wahrsten Sinne des Worts als Horn imponieren können oder Hornzipfel ausbilden. Um die zugrundeliegende histopathologische Tumorentität zu erfassen, soll nach Abtragung bzw. chirurgischer Entfernung auch dieser Hautläsionen eine histopathologische Untersuchung des Gewebes erfolgen [1], [2], [5].

Merke

Hinter einem Cornu cutaneum können sich histologisch Präkanzerosen wie eine AK oder ein Morbus Bowen (also ein Carcinoma in situ) verbergen, ebenso eine völlig harmlose Verucca oder aber auch ein Basalzellkarzinom oder ein Plattenepithelkarzinom!

Tab. 2 Gradeinteilung der Aktinischen Keratose [1], [2], [5], [6].

Schweregrad

klinisches Erscheinungsbild

AK-Grad I

kaum tastbare und meist eher unscheinbare Läsionen; leicht rau bei Berührung/Bestreichen mit der Fingerbeere; rein optisch häufig nicht erkennbar

AK-Grad II

deutlicher tastbare, raue und erythematöse Läsionen mit sichtbarer Schuppung; gut erkennbar bei klinischer optischer Untersuchung

AK-Grad III

stark ausgeprägte hyperkeratotische Läsionen, häufig mit dicken schuppenden Krusten, die an Plattenepithelkarzinome erinnern

Fallbeispiel 3

Raue, offenen Lippen


Eine 56-jährige Patientin mit gepflegtem Auftreten stellt sich bei Ihnen wegen ständig wiederkehrender offener Stellen am Unterlippenrot vor. Speziell die Unterlippe sei rissig und trocken. Aufgrund der von ihr selbst vermuteten Unverträglichkeit der verwendeten Lippenpflegestifte habe sie sich in der Apotheke bereits Vaseline geholt, aber sogar damit wird es nicht besser. Ebenso macht sie sich Sorgen, Lippenherpes zu haben, da sie seit ihrer Nierentransplantation vor 4 Jahren Ihre entsprechende immunsuppressive Therapie einnimmt. Sie präsentiert Ihnen unzufrieden ihre Lippen, wo Sie folgendes klinisches Bild sehen ([Abb. 8]):

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Abb. 8 Cheilitis actinica. Quelle: Hauswirth U. Aktinische Keratose (AK). In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638

Das klinische Bild und die Anamnese (mit bereits monatelangem Bestehen der Läsion ohne jegliche Besserung auf entsprechend angewandte Lokaltherapie hin) veranlassen Sie, die Patientin zum Hautfacharzt Ihres Vertrauens zu überweisen. Dort wird mittels Dermatoskopie und Stanzbiopsie die Diagnose einer Cheilitis actinica gestellt. Da dies eine Präkanzerose mit Potenzial zur Progression zum invasiven Karzinom darstellt, wird bei Vorliegen des Risikofaktors „Zustand nach Organtransplantation mit Immunsuppression“ die chirurgische Resektion des Lippenrots, die Vermillionektomie, durchgeführt mit plastischer Defektdeckung mittels Schleimhaut aus dem Mundhöhlenvorhof. Eine unkomplizierte Cheilitis actinica könnte auch weniger radikal mit topischer Behandlung, Kryotherapie oder photodynamischer Therapie behandelt werden.


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Morbus Bowen

Morbus Bowen ist ein Carcinoma in situ (CIS), also ein intraepidermales Karzinom. Der Begriff umfasst die Erscheinungsbilder des Morbus Bowen und der Erythroplasie Queyrat. Morbus Bowen kann de novo oder aus einer aktinischen Keratose (AK) entstehen, während Erythroplasie Queyrat als „Morbus Bowen der Schleimhaut“ gilt und bevorzugt die Genitalhaut betrifft. Beide Formen stehen potenziell im Zusammenhang mit onkogenen Stämmen des Humanen Papilloma Virus (v.a. HPV 16 und 18). Klinisch manifestiert sich der Morbus Bowen an der Haut als schuppende, rote Plaques, wobei die Atypien der Keratinozyten die gesamte Epidermis betreffen ([Abb. 9]). Unbehandelt können diese Läsionen in 3–5% der Fälle in ein invasives Plattenepithelkarzinom übergehen [1], [2], [4], [8].

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Abb. 9 Morbus Bowen: frühes Stadium von Hautkrebs in situ mit schuppiger, rötlicher Hautveränderung am Finger. Quelle: Hauswirth U. Morbus Bowen. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638

Da ein Übergang von einem Carcinoma in situ zu einem invasiven Karzinom klinisch oft nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist bei Verdacht auf Invasion jedenfalls eine histologische Abklärung unerlässlich. Diese sollte idealerweise durch eine Biopsie mittels Stanze oder Totalexzision erfolgen, die auch tiefere Hautschichten einbezieht. Damit kann die vertikale Tumorausbreitung – im Gegensatz zur Biopsie mittels Abtragung („Shave“) – verlässlicher beurteilt werden [2], [5], [9].

Eine Sonderform im Genitalbereich ist die bowenoide Papulose, die ebenfalls mit den Hochrisiko-HPV-Stämmen 16 und 18 assoziiert ist. Sie zeigt sich in Form multipler, 2–5mm großer, flacher, rotbrauner Papeln mit glatter oder verruköser Oberfläche, also pigmentierten Penis- oder Vulvapapeln. Typische Lokalisationen sind Vorhaut, Glans, Penisschaft, Labia majora und minora, sowie die perineale und anale Haut [5].

Merke

Eine prophylaktische HPV-Impfung ist eine effektive Maßnahme zur Vorbeugung gegen HPV-assoziierte Läsionen und Karzinome.


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Keratoakanthom

Keratoakanthome sind epitheliale Hauttumore, die sich klinisch durch einen einzeln stehenden, gut abgegrenzten, exophytisch wachsenden Tumorknoten mit einem charakteristischen zentralen Hornpfropf präsentieren. Auffällig ist das rasche Wachstum, das innerhalb von 1–2 Monaten erfolgt. Trotz dieses schnellen Wachstums haben Keratoakanthome häufig die Fähigkeit zur spontanen Regression, was sie von vielen anderen malignen Hauttumoren unterscheidet. Obwohl Keratoakanthome zu den malignen Hauttumoren gezählt werden, ist das Risiko eines Übergangs in ein invasives Plattenepithelkarzinom mit Metastasierung gering. Aufgrund ihres potenziell malignen Verhaltens wird dennoch eine chirurgische Entfernung empfohlen, um anhand einer genauen histopathologischen Untersuchung eine bösartige Transformation auszuschließen [1], [2], [6].


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Plattenepithelkarzinom der Haut

Das Plattenepithelkarzinom (PE-CA) ist ein maligner Tumor der Epidermis, der durch lokales, destruktives Wachstum mit Metastasierungstendenz charakterisiert ist, insbesondere über den lymphogenen Weg. In unseren geografischen Breiten nimmt die Inzidenz stetig zu, was auf veränderte Lebensgewohnheiten und verstärkte UV-Exposition zurückzuführen ist. Das PE-CA ist der zweithäufigste Hautkrebs nach dem Basalzellkarzinom (BCC) und tritt bevorzugt im Alter von 60–80 Jahren auf [4] [5].

Merke

Die Nachsorge bei PE-CA der Haut sollte stets eine Sonografie der großen Lymphknotenstationen im Abflussgebiet des betroffenen Hautareals beinhalten, um mögliche Lymphknotenmetastasen frühzeitig zu erkennen.

Besonders gefährdet sind Menschen mit den Hauttypen I und II sowie Personen mit erhöhten Sonnenexpositionsrisiken, wie Bergsteiger, Segler oder Tennisspieler. Eine weitere Risikogruppe sind immunsupprimierte Patienten, bei denen das PE-CA aggressiver verlaufen kann ([Tab. 3]). Die bevorzugten Lokalisationen sind chronisch lichtexponierte Hautareale [2], [5].

Tab. 3 Risikofaktoren für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms der Haut [5].

Risikofaktoren

Details

allgemeine

kumulative/berufliche Sonnenexposition

andere UV-Belichtungen (PUVA, Solarien)

ionisierende Strahlung

Arsenexposition

Chemikalienexposition (v.a. Kohlenteer, polyzyklische aromatische Wasserstoffverbindungen, polychlorierte Biphenyle, Psoralen [mit UVA], Stickstoffsenfstoffe, 4,4′-Bipyridin)

HPV

Rauchen

Pigmentphänotyp

blondes Haar

häufig Sonnenbrände ohne Bräunung

Sommersprossen (sog. „Freckling“)

rotes Haar

genetische Syndrome

Xeroderma pigmentosum

okulokutaner Albinismus

Epidermodysplasia verucciformis

primär rezessive Form der dystrophischen Epidermolysis bullosa

Ferguson-Smith Syndrom

Muir-Torre Syndrom

prädisponierende klinische Faktoren

chronische Wunden mit schlechter Heilungstendenz

lange bestehender diskoider Lupus Erythematodes

lange bestehender Lichen planus (erosivus)

lange bestehender Lichen sclerosus

Porokeratose (insbesondere lineare Porokeratose)

Immunsuppression

Z.n. Organtransplantation

andere (v.a. chronisch lymphatische Leukämie unter Fludarabine-Therapie, AIDS-Patienten mit HPV-Infektion)

Infobox 4

Hochrisiko-Lokalisationen des Plattenepithelkarzinoms der Haut:

Es gibt Hochrisiko-Lokalisationen des Plattenepithelkarzinoms der Haut, die eine höhere Wahrscheinlichkeit für Metastasierung und aggressiveres Verhalten des Tumors aufweisen. Dazu zählen Lippen (insbesondere die Unterlippe), äußeres Ohr, Schleimhäute und angrenzende Hautbereiche (Mund, Nase, Augenlider, Genitalien), Nasenrücken, periorbitale Region, Kopfhaut (insbesondere bei Haarlosigkeit) und Handrücken, Regionen mit erhöhter UV-Exposition oder besonderer Empfindlichkeit [5], [6].

Klinisch entwickelt sich das PE-CA oft aus Vorläuferläsionen (wie z.B. die aktinische Keratose) oder aus chronisch entzündeten Hautstellen und Narben. Es präsentiert sich typischerweise als unscharf begrenzte, rötliche Plaque oder als Knoten, der zentral schuppt, exulzeriert oder mit einer Kruste bedeckt ist. Der Tumor ist meist schmerzlos, kann jedoch bei fortgeschrittener Erkrankung entzündlich und berührungsempfindlich werden. In manchen Fällen kann das Plattenepithelkarzinom der Haut mit zentral zerfallendem und eiterndem Tumorpfropf sogar stark entzündlich imponieren. Immer wieder begegnen uns in der dermatologischen Praxis Plattenepithelkarzinome in teils fortgeschrittenen Stadien, die wochen-, monate- oder sogar jahrelang als gutartig entzündliche Prozesse (z.B. rupturierte Epidermiszysten) missinterpretiert und mit Abszessspaltungen, Expressionsversuchen und Zugsalben vorbehandelt wurden [1], [5], [6].

Merke

Bei entzündlichen knotigen singulären Hautveränderungen, vor allem in seniler Altershaut an UV-exponierten Stellen wie Gesicht und Unterarme: an die Möglichkeit eines malignen Tumors denken!

Fallbeispiel 4

Die heikle Stelle


Ein 45-jähriger, bislang gesunder, Mann stellt sich mit einem „heiklen“ Problem bei Ihnen vor. Genaueres wollte er bei Anmeldung zum Termin nicht bekannt geben. Als er den Behandlungsraum Ihrer Ordination betritt, berichtet er über eine offene Stelle am Penis, die er seit Monaten selbst mit einer Wundsalbe behandelt. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte er an der Peniseichel einen rötlichen Fleck bemerkt, der mit weißlichen Schuppen belegt war. Bei vermuteter Pilzinfektion behandelte er sich selbst mit einer Pilzcreme aus der Apotheke. Danach sei es kurz besser geworden, aber dann doch innerhalb eines halben Jahres zu einer offenen Stelle angewachsen, die nun immer größer wird ([Abb. 10]). Bislang suchte er aus Scham keine Hilfe. Er machte sich anfangs auch keine großen Gedanken, da ihm die offene Stelle keine Schmerzen bereitet. Sie sehen das klinische Bild und überweisen den Patienten umgehend an die zuständige dermatologische Klinik, wo zur Festlegung des weiteren Vorgehens rasch eine Stanzbiopsie entnommen wird.

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Abb. 10 Plattenepithelkarzinom an der Glans penis. Quelle: Hauswirth U. Plattenepithelkarzinom. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 8. vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. DOI: 10.1055/b-003–129293

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Malignes Melanom

Das maligne Melanom ([Abb. 11]) ist ein bösartiger Tumor ausgehend von Melanozyten. Diese pigmentbildenden Zellen sind am häufigsten in der Haut lokalisiert. Allerdings kann sich das Melanom auch aus Melanozyten entwickeln, die an anderen Stellen des Körpers vorkommen, wie beispielsweise im Uvea-Trakt des Auges, im retinalen Pigmentepithel, in der gastrointestinalen Schleimhaut oder in den Leptomeningen (Hirn- und Rückenmarkshäuten).

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Abb. 11 Malignes Melanom, Tumordicke 0,3mm. Man beachte vor allem die randständige flache und unregelmäßige Pigmentierung. Quelle: Hänßle H, Stolz W. Unterformen des malignen Melanoms. In: Stolz W, Hänßle H, Sattler E, Welzel J, Hrsg. Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. DOI: 10.1055/b-006–149538 [11].

Melanome können

  • entweder de novo entstehen, das heißt, sie bilden sich ohne vorherige auffällige Hautveränderung,

  • oder sie entwickeln sich aus präexistenten Vorläuferläsionen wie atypischen Naevi oder kongenitalen melanozytären Naevi.

Die Entstehung und das Verhalten des malignen Melanoms sind komplex, wobei genetische Faktoren und UV-Exposition eine zentrale Rolle spielen. Aufgrund seines aggressiven Wachstums und der hohen Tendenz zur Metastasierung ist das Melanom eine der gefährlichsten Hautkrebsformen. In den letzten 40–50 Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der Inzidenz des kutanen Melanoms beobachtet, insbesondere bei dünneren Läsionen. Trotz dieser Zunahme ist der Anstieg der Mortalität vergleichsweise moderat, das betrifft vor allem ältere Männer. Im Vergleich zu den meisten anderen Krebsarten tritt der Tod durch Melanom oft in einem jüngeren Alter auf.

Die Risikofaktoren für das maligne Melanom lassen sich in 3 Hauptkategorien einteilen: genetisch, umweltbedingt und phänotypisch ([Tab. 4]). Zu den genetischen Risikofaktoren zählen familiäre Vorbelastungen, wobei etwa 10% der malignen Melanome in familiären Häufungen auftreten. Umweltbedingte Faktoren umfassen vor allem die UV-Strahlung, insbesondere intermittierende, intensive Sonnenexposition. Phänotypische Faktoren beinhalten helle Hauttypen, eine Neigung zu Sonnenbränden und das Vorhandensein multipler oder atypischer Naevi. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung von Prävention und Früherkennung, insbesondere bei Personen mit erhöhtem Risiko, um die Prognose zu verbessern [5].

Infobox 5

Primäre und sekundäre Prävention des malignen Melanoms:

Die primäre Prävention des malignen Melanoms umfasst Maßnahmen zum Sonnenschutz, wie das Vermeiden direkter UV-Exposition und den Verzicht auf Sonnenbänke.

Die sekundäre Prävention konzentriert sich auf die frühe Erkennung, einschließlich Screening-Programmen für Personen mit erhöhtem Risiko, um Melanome frühzeitig zu identifizieren und die Prognose zu verbessern [5].

Die klinischen Zeichen des malignen Melanoms werden oft durch die ABCD-Regel vermittelt, die für Asymmetrie, unregelmäßige Ränder, Farbvarianz und Durchmesser >5mm steht. Diese Regel dient der öffentlichen Aufklärung und erleichtert die Erkennung, weist jedoch Schwächen auf. Ergänzend dazu wurde die EGF-Regel (Erhebung, Wachstum, Festigkeit) eingeführt, um noduläre und amelanotische Melanome besser zu erkennen. Im Gegensatz zu alternden, gutartigen Naevi, die ebenfalls erhabener werden, sind noduläre Melanome bei der Palpation jedoch fest. Beim Melanoma in situ (MIS) ist die Malignität auf die Epidermis oder das Haarfollikelepithel beschränkt. Alle Melanomtypen, mit Ausnahme des nodulären Melanoms, können eine in-situ-Phase haben. Die Lentigo maligna ([Abb. 12]) ist eine Form des MIS, die in sonnenbeschädigter Haut, besonders Gesichtshaut, entsteht und über Jahre bis Jahrzehnte in situ verbleiben kann [5].

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Abb. 12 Lentigo maligna. Quelle: Hänßle H, Stolz W. Lentigo maligna und Lentigo-maligna-Melanom. In: Stolz W, Hänßle H, Sattler E, Welzel J, Hrsg. Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. DOI: 10.1055/b-006–149538

Tab. 4 Risikofaktoren für die Entstehung eines malignen Melanoms [5].

Risikofaktoren

Details

genetische Faktoren

Familienanamnese von malignem Melanom (MM)

Familienanamnese von "Mixed Cancer Syndromen"

helle Hautpigmentierung

Neigung zu Sonnenbrand, Unfähigkeit zu bräunen

rote Haarfarbe

DNA-Reparaturdefekte (z.B. Xeroderma pigmentosum)

Umweltfaktoren

intermittierende intensive Sonnenbestrahlung

chronische Sonnenbestrahlung

Wohnsitz in äquatorialen Breitengraden

PUVA

Solarienbesuche, insbesondere <35 Jahren

iatrogen erworbene Immunsuppression

phänotypische Ausprägung von Gen-/Umwelt-Interaktionen

melanozytäre Naevi: erhöhte Gesamtzahl erworbener melanozytärer Nävi (>100 melanozytäre Nävi erhöhen das relative Risiko um etwa das 8–10-fache).

atypische melanozytäre Nävi: >5 atypische Nävi erhöhen das relative Risiko um etwa das 3–4-fache

multiple solare Lentigines: multiple solare Lentigines erhöhen das relative Risiko um etwa das 3–4-Fache.

relative Risiken sind multiplikativ: z.B. Beispiel hat eine Person mit >100 melanozytären Nävi plus >5 atypischen Nävi plus mehreren solaren Lentigines ein etwa 150-fach erhöhtes Risiko (10 × 5 × 3 = 150-fach)

Melanomdiagnose in der Eigenanamnese

Die frühe Erkennung ist entscheidend, um die Überlebensrate beim malignen Melanom zu verbessern. Die Diagnose basiert zunächst auf dem klinischen Verdacht (z.B. durch visuelle Inspektion und Dermatoskopie), gefolgt von einer histopathologischen Bestätigung. Die Biopsie sollte idealerweise die gesamte Läsion entfernen, einschließlich einer ausreichenden Tiefe, um die Tumordicke genau zu bestimmen. Bei großen Läsionen sollten repräsentative Proben entnommen werden. Die histopathologische Auswertung erfolgt durch einen Dermatohistopathologen [5], [9].

Infobox 6

Melanomdiagnostik in der Allgemeinmedizin

Bei einer Ganzkörperuntersuchung der Haut sind Zeichen wie das „Ugly Duckling Sign“ (eine atypische pigmentierte Läsion, die sich von den umgebenden Naevi abhebt) und das „Little Red Riding Hood Sign“ hilfreiche Indikatoren. Neben der Dermatoskopie kann auch die Fotodokumentation die Diagnose unterstützen. Zunächst wird festgestellt, ob es sich um eine melanozytäre Läsion handelt, anschließend werden besorgniserregende Merkmale geprüft. Nicht alle kutanen Melanome zeigen typische Merkmale, und bei frühen Läsionen können die klinischen Befunde subtil sein. Deshalb sollte auch die Besorgnis des Patienten über eine bestimmte Läsion in die Bewertung einfließen [1], [5].

Fallbeispiel 5

Der orthopädische Schuh


Eine 65-jährige Frau mit Diabetes stellt sich bei Ihnen wiederholt zur Heilmittelverordnung eines orthopädischen Schuhwerkes bei Ulkus knapp unter dem Innenknöchel vor. Zuletzt hat sie vor 6 Monaten ein neues paar Schuhe anpassen lassen, die jedoch schon nach wenigen Wochen nicht mehr passten, da das Geschwür neuerlich knotig angewachsen sei. Als Sie den Verband am Knöchel lösen, stellen Sie folgende Blickdiagnose ([Abb. 13]):

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Abb. 13 Akrales malignes Melanom. Quelle: Tietze J. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424

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Seltene Tumore der Haut

Neben den genannten 3 großen Tumorentitäten (Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, malignes Melanom) gibt es eine Vielzahl an seltenen Tumoren der Haut, die eine diverse Gruppe von Läsionen umfassen und von harmlosen bis zu aggressiven malignen Tumoren reichen. Zu den malignen zählen unter anderem

  • Merkelzellkarzinome,

  • Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) und

  • Angiosarkome.

Diese Tumore sind aggressiv und haben eine hohe Rezidivneigung.

Benigne Tumore wie z.B. Talgdrüsenadenome oder Trichoepitheliome sind oft harmlos, erfordern aber eine genaue Differenzierung von malignen Varianten. Auch Hautmetastasen und Tumore an der Haut im Rahmen paraneoplastischer Syndrome ([Tab. 5]), systemischer Mastozytosen und Histiozytosen sind differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Die Seltenheit und das unklare klinische Bild all dieser Tumore stellen eine diagnostische Herausforderung dar. Eine frühe Erkennung durch Biopsie und histopathologische Untersuchung ist entscheidend, um die adäquate Therapie einzuleiten und die Prognose zu verbessern. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hierbei essenziell [2], [5], [6].

Infobox 7

Mesenychmale und neurale Tumore der Haut – ein Überblick [2]

  • Fibrome: harmlose Tumoren des fibrösen Bindegewebes

  • Angiokeratome: harmlose Kapillarproliferationen mit Hyperkeratose; Abgrenzung zu malignen Tumoren schwierig

  • Neurofibrome und Schwannome

  • Merkelzellkarzinom: hochaggressiv; neuroendokriner Tumor; hohe Metastasierungsrate; Risiko: Alter und Immunsuppression

  • malignes fibröses Histiozytom: hochmaligner Bindegewebstumor

  • Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP): langsam wachsend, lokal invasiv; häufig Rezidive

  • Lipome/Leiomyome: harmlose benigne Tumore des Fettgewebes bzw. glatten Muskelgewebes

  • Liposarkome: maligne Tumore des Fettgewebes

  • kindliche Tumore der Blutgefäße und infantile Hämangiome

  • kutanes Angiosarkom: aggressives Sarkom der Blutgefäße; oft Metastasen, v.a. Kopf-Hals-Bereich alter Menschen oder bestrahlte Haut

  • Kaposi-Sarkom: vaskuläre Neoplasie; Assoziation mit humanem Herpesvirus 8 (HHV-8); Risiko: Immunsuppression und HIV

  • kutanes Lymphangioma circumscriptum: lymphatische Fehlbildung; blasenartig; kosmetisch störend

Infobox 8

Kutane Lymphome – ein Überblick [2]

Kutane Lymphome sind eine heterogene Gruppe von Lymphomen, die primär in der Haut auftreten. Sie werden in Pseudolymphome und echte Lymphome unterteilt.

  • kutane Pseudolymphome: reaktive, gutartige Lymphozytenproliferationen, die klinisch Lymphomen ähneln, aber keinen malignen Charakter haben

  • primär kutane T-Zell-Lymphome (CTCL):

    • CD30+ CTCL: gutartige bis maligne Verläufe beobachtbar, oft mit Hautknoten

    • Mycosis fungoides: häufigste CTCL-Form, beginnt mit Ekzemen und Plaques wobei sich im fortgeschrittenen Stadium Tumore zeigen

    • Sézary-Syndrom: aggressive Form mit Hautrötung (Erythrodermie) und systemischer Beteiligung

  • primär kutane B-Zell-Lymphome (CBCL):

    • Keimzentrumslymphome: gutartige Prognose; Knoten vorwiegend an Kopf und Rumpf

    • Marginalzonenlymphome: langsam wachsend; selten systemisch

    • diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom: aggressiv, v.a. an den Beinen, mit schlechter Prognose

Tab. 5 Paraneoplastische Syndrome – die wichtigsten Vertreter [2], [8].

Paraneoplastisches Syndrom

Befund

Assoziation

Acanthosis nigricans

Hyperpigmentierung und Verdickung der Haut, v.a. Intertrigoareale;

v.a. Magenkarzinom

Leser-Trélat-Syndrom

plötzlich multiple Verrucae seborrhoicae mit intensivem Juckreiz

gastrointestinale Adenokarzinome, seltener Lymphome und Leukämie

Acrokeratosis paraneoplastica Bazex

schuppende Plaques an Händen und Füßen

Plattenepithelzellkarzinome des oberen Verdauungstrakts und der Lunge; Adenokarzinome der Lunge; gastrointestinale Adenokarzinome; Urogenitaltumore; Lymphome; Multiples Myelom

Erythema gyratum repens

ringförmige Hautmuster

Malignome: Mamma, weibliches Genitale, Pharynx, Bronchien, Ösophagus oder Magen

Erythema necrolyticum migrans

mehrbogige, schuppende Erytheme

Glukagonom

Hypertrichosis lanuginosa acquisita

plötzlicher Wuchs feiner Lanugohaare

Lungen- und Mammakarzinome

AESOP-Syndrom (“Adenopathy and Extensive Skin Patch Overlying a Plasmacytoma“)

Kernaussagen
  • Die Allgemeinmedizin spielt bei der Hautkrebsfrüherkennung eine entscheidende Rolle, da Hausärzte als erste Ansprechpartner für Patienten fungieren und durch regelmäßige Inspektion, zumindest einzelner Körperpartien, potenzielle Hautveränderungen frühzeitig erkennen können. So finden sich zum Beispiel 60% aller Plattenepithelkarzinome im Kopf- und Gesichtsbereich. Eine Körperstelle, die ohne großen Aufwand bei jeder Visite durch den Hausarzt gut einsehbar ist.

  • Ein aufmerksamer Blick mit Überweisung zur hautfachärztlichen Vorstellung kann zur Frühbehandlung von Präkanzerosen führen und Progressionen zu invasiven Tumoren verhindern.

  • Ab dem Alter von 35 Jahren wird für alle Menschen eine Hautkrebs-Screening-Untersuchung alle 2 Jahre empfohlen. Die monatliche Hautselbstuntersuchung mit Anleitung wird als eine vielversprechende Methode zur Früherkennung von Hautkrebs empfohlen und ist zudem kostenlos und unkompliziert.

  • Auch einfach umzusetzende Maßnahmen, wie die Auslage von sachlich korrekten und überprüften Broschüren (wie z.B. die Broschüre der österreichischen Krebshilfe mit dem Titel „Sonne ohne Reue“ [10]) im Wartebereich, oder auch Hilfestellung zur Selbstuntersuchung, tragen zur Bewusstseinsbildung der Patienten und Steigerung der eigenen Gesundheitskompetenz bei.


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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. Claudia Dolcet, Graz, Österreich.


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Dr. Claudia Dolcet

Jahrgang 1982, 2009 promoviert in der gesamten Heilkunde an der Medizinischen Universität Graz. 2014 Fachärztin für Anatomie am Institut für Anatomie MUG. 2017 Ärztin für Allgemeinmedizin. 2023 Fachärztin für Dermatologie und Venerologie. Aktuell OÄ an der Abteilung für chirurgische Dermatologie LKH Graz und Wahlärztin/Privatärztin Burgpraxis Graz. Schwerpunkt: Dermatochirurgie, insbes. Hautkrebsbehandlung, Vorsorge und Ästhetik.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht‐Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Claudia Dolcet
Burgpraxis Graz
Burgring 22/1
8010 Graz
Österreich   

Publication History

Article published online:
17 February 2025

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Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Leukoplakie. Quelle: Lang B. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424
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Abb. 2 Morbus Paget der Mamille. Quelle: Röcken M, Schaller M, Sattler E, French L. Morbus Paget. In: Röcken M, Schaller M, Sattler E, French L, Hrsg. Taschenatlas Dermatologie. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004–14065
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Abb. 3 Morbus Paget der Mamille – fortgeschritten. Quelle: Hauswirth U. Morbus Paget der Mamille. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638
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Abb. 4 Noduläres Basalzellkarzinom. Quelle: Kiecker F. Basalzellkarzinom. In: Sterry W, Czaika V, Drecoll U, Hadshiew I, Kiecker F, Papakostas D, Philipp S, Stefaniak R, Stieler K et al., Hrsg. Kurzlehrbuch Dermatologie. 3., unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022. DOI: 10.1055/b000000823
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Abb. 5 Narbig imponierende derbe Plaque mit kleinen Ulzerationen und Teleangiektasien. Quelle: Kaufmann R, Podda M, Meissner M, Kovács M, Valesky E. Techniken. In: Kaufmann R, Podda M, Hrsg. Dermatologische Operationen. 5., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020. DOI: 10.1055/b000000030
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Abb. 6 Naevus sebaceus. Quelle: Kiecker F. Naevus sebaceus. In: Sterry W, Czaika V, Drecoll U, Hadshiew I, Kiecker F, Papakostas D, Philipp S, Stefaniak R, Stieler K et al., Hrsg. Kurzlehrbuch Dermatologie. 3., unveränderte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG; 2022. DOI: 10.1055/b000000823
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Abb. 7 Aktinische Keratose. a AK der Handrücken; b AK der Wange. Quelle: Lang B. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424
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Abb. 8 Cheilitis actinica. Quelle: Hauswirth U. Aktinische Keratose (AK). In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638
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Abb. 9 Morbus Bowen: frühes Stadium von Hautkrebs in situ mit schuppiger, rötlicher Hautveränderung am Finger. Quelle: Hauswirth U. Morbus Bowen. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b000000638
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Abb. 10 Plattenepithelkarzinom an der Glans penis. Quelle: Hauswirth U. Plattenepithelkarzinom. In: Moll I, Hrsg. Duale Reihe Dermatologie. 8. vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. DOI: 10.1055/b-003–129293
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Abb. 11 Malignes Melanom, Tumordicke 0,3mm. Man beachte vor allem die randständige flache und unregelmäßige Pigmentierung. Quelle: Hänßle H, Stolz W. Unterformen des malignen Melanoms. In: Stolz W, Hänßle H, Sattler E, Welzel J, Hrsg. Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. DOI: 10.1055/b-006–149538 [11].
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Abb. 12 Lentigo maligna. Quelle: Hänßle H, Stolz W. Lentigo maligna und Lentigo-maligna-Melanom. In: Stolz W, Hänßle H, Sattler E, Welzel J, Hrsg. Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. DOI: 10.1055/b-006–149538
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Abb. 13 Akrales malignes Melanom. Quelle: Tietze J. Symptomatik. In: Ludwig R, Boehncke W, Hrsg. Referenz Dermatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023. DOI: 10.1055/b000000424