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DOI: 10.1055/a-1971-9558
Vergleichende Risiko/Nutzen-Analyse verschiedener psychotroper Substanzen aus der Perspektive deutscher Drogenkonsumenten und Suchtmediziner – Ein Beitrag für die Psychoedukationsarbeit mit Abhängigkeitserkrankten und Restriktions-/Legalisierungsdebatten
Comparative Harm/Benefit Analysis of Various Psychotropic Substances from the Perspective of German Drug Users and Addiction Medicine Experts – A Contribution to Psychoeducation of Substance-Addicted Individuals and Restriction/Legalization Debates- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Methodik
- Ergebnisse
- Diskussion
- Ethikerklärung
- Autorenbeiträge
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund Es existiert keine aktuelle internationale Vergleichsstudie von Drogenkonsumenten und Suchtexperten zur Einschätzung des Risiko/Nutzen-Profils legaler und illegaler psychotroper Substanzen und zudem keine auch ältere Studie dazu aus dem deutschsprachigen Raum.
Methodik Ergänzend zu den bereits veröffentlichten Daten 101 deutscher Suchtexperten (in diesem Journal publiziert, [1]) wurden analog 100 substanzabhängige Drogenkonsumenten während ihrer stationären Entzugsbehandlung (Akutkrankenhaus) oder Entwöhnungsbehandlung (Rehabilitationskrankenhaus) per strukturiertem Fragebogen zu ihrer Einschätzung des Schadens- und Nutzenpotentials von 34 legalen und illegalen psychotroper Substanzen interviewt.
Ergebnisse In Übereinstimmung bewerteten Konsumenten und Experten, dass die traditionellen illegalen Drogen Heroin, Crack/Kokain und Methamphetamin das größte Schädlichkeitspotential besitzen. Synthetische Cannabinoide, Alkohol und Benzodiazepine befanden sich im oberen Mittelfeld, Cannabis und psychotrope Pilze im unteren Mittelfeld und Gabapentinoide am Ende der Gefährdungsrangordnung beider Gruppen. Methadon und Benzodiazepine wurden von Konsumenten signifikant gefährlicher eingestuft. Hinsichtlich des Substanznutzens bewerteten Konsumenten traditionelle illegale Drogen einschließlich Cannabis und psychotrope Pilze ebenso wie Nikotin als signifikant nützlicher als die Experten. Im Gegensatz zu den Experten bewerteten die Konsumenten keine Substanz als extrem gefährlich bei gleichzeitig geringer Nützlichkeit. Erfahrungen mit Opioid-Analgetika konnten nur von wenigen Konsumenten berichtet werden, wurden aber bezüglich ihres Risiko/Nutzen-Profils ähnlich den Expertenurteilen eingeordnet. Durch Legalisierung von Cannabis erwarten weder Konsumenten noch Experten eine Änderung des Gefährdungspotentials. In beiden Gruppen existierten spezifische kognitive Bewertungsverzerrungen.
Fazit Die vorliegende Studie zeigt erste Informationen aus dem deutschsprachigen Raum zur Risiko/Nutzen-Bewertung psychotroper Substanzen aus der Perspektive von Suchtexperten und Konsumenten. Diese können als Beitrag für die Psychoedukationsarbeit in der Behandlung von Substanzabhängigen aber auch für aktuelle gesundheitspolitischen Debatten zur legalen Verfügbarkeit von Drogen zum Freizeitgebrauch hilfreich sein.
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Abstract
Background To date, we cannot find any current international comparative study on the assessment of a benefit/harm profile of various licit and illicit psychoactive substances conducted by adult drug users and addiction experts as well. Particularly, there is no study from the German-speaking area of Western Europe.
Methods In addition to the data already published by 101 German addiction medicine experts (published in this journal, [1]), we carried out interviews using a structured questionnaire with 100 German substance dependent users, residing in acute and rehabilitation clinical setting, to evaluate 34 psychoactive substances regarding their health and social harm potential for users and others as well as their potential benefit.
Results Both, users and experts estimated traditional illicit drugs, such as heroin, crack/cocaine and methamphetamine, to be particularly harmful. Synthetic cannabinoids, alcohol and benzodiazepines were in the upper midfield, cannabis and psychotropic mushrooms in the lower midfield, and gabapentinoids at the bottom of the harm rankings of both, users and experts. In comparison with the experts, the users estimated methadone and benzodiazepines to be significantly more harmful. In the benefit analysis, users rated traditional illicit drugs including cannabis and psychotropic mushrooms as well as nicotine as significantly more useful than the experts. In contrast to the experts (traditional illicit drugs), the users did not assess any substance as very harmful and very useless at the same time. Only a few users reported to have experiences with opioid analgesics which, however, did not differ between the users´ and experts´ harm/benefit-assessments. Neither users nor experts predicted cannabis-legalization to change the overall risk potential of cannabis. Specific cognitive valuation biases seemed to be prominent in both groups.
Conclusion This study presents first harm/benefit assessments of psychotropic substances from the perspective of German addiction medicine experts and drug users. The results can be valuable to the psychoeducation of substance-addicted individuals and to current restriction or legalization debates.
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Schlüsselwörter
Risiko/Nutzen-Analyse - traditionelle illegale Substanzen - Cannabis - Methadon - Bewertungsverzerrungen - Gabapentinoide - Legalisierung - PsychoedukationKey words
Harm/benefit analysis - traditional illicit drugs - cannabis - methadone - assessment bias - gabapentinoids - legalization - psychoeducation.Einleitung
Bisher gibt es keine in Deutschland durchgeführte Vergleichsstudie zur Bewertung des Schädlichkeitspotentials und des potentiellen Nutzens verschiedener psychotroper Substanzen mit Abhängigkeitspotential durch Suchtmediziner und Drogenkonsumenten. Erst kürzlich wurde eine solche Risiko/Nutzen-Analyse aufgrund der Bewertungen durch deutsche Suchtmediziner publiziert [2]. Nahezu parallel hierzu wurde auch eine entsprechende Befragung an deutschen Drogenkonsumenten durchgeführt.
Ausgangspunkt dieser beiden Untersuchungen war die Studie von Nutt et al. [3], in der ein konsensusbasiertes Bewertungsinstrument entwickelt wurde, mit dessen Hilfe das Gesamtschadenspotential psychoaktiver Substanzen (nicht-medizinische Substanzen und psychoaktive Medikamente) unter Berücksichtigung physischer, psychischer und sozialer Schäden für Konsumenten und andere bewertet werden konnte. Dieser Vorreiterstudie folgend fanden in den letzten Jahren mehrere solcher Bewertungen in westlichen EU-Staaten und Australien statt [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]. In all diesen Untersuchungen waren die Beurteiler Suchtexperten. Nur wenige Untersuchungen gibt es zur Bewertung von Substanzen aus der Perspektive der Drogenkonsumenten als den eigentlichen Nutzern dieser Substanzen [10] [11] [12]. Studien zum direkten Vergleich der Bewertungen von psychoaktiven Substanzen zwischen Drogenkonsumenten und Suchtexperten gibt es auch international nur vereinzelt [13]. Die Perspektive der Konsumenten ist jedoch unerlässlich, um die bisherige Relevanz von Expertenrankings einschätzen zu können und daraus Erkenntnisse über die Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeitserkrankungen zu ziehen sowie mögliche Therapieansätze, beispielsweise für die Psychoedukationsarbeit, entwickeln zu können.
Die Motive von Drogenkonsumenten für den Gebrauch psychoaktiver Substanzen sind mannigfaltig und betreffen neben symptomlindernden (self-medication) überwiegend nicht-therapeutische Zwecke, z. B. erwartete bewusstseinserweiternde-, affektregulierende-, entspannende-, kognitions- und schlaffördernde Effekte [5] [14] [15]. Aus Konsumentensicht werden diese Wirkungen der Substanzen als „Nutzen“ wahrgenommen. Bedingt durch den Einfluss psychoaktiver Substanzen auf das mesolimbische dopaminerge Belohnungssystem entsteht so ein Circulus vitiosus, der zunächst die Entstehung sowie die Aufrechterhaltung von Suchtverhalten bedingt und in dessen Folge zu Substanzmissbrauch und -abhängigkeit (nach ICD-10, DSM-IV TR III) führt [16] [17] [18]. Die meisten in die Behandlung kommenden Drogenkonsumenten sind polytoxikomane Patienten und betreiben entsprechend einen Mischkonsum mehrerer Substanzen gleichzeitig, häufig mit der Konsequenz eines massiven Verlustes der exekutiven Selbstkontrolle zum anhaltenden Konsumstopp [18] [19]. Für die Aufrechterhaltung befriedigender Rauscheffekte, bei gleichzeitiger Vermeidung quälender Entzugszustände, akzeptieren die Konsumenten nicht nur hohe lebenszeitliche Einbußen und ihre eigene Kriminalisierung durch die Beschaffung der meist illegalen Substanzen, sondern vielmehr auch ihre physische und psychische Gesundheit sowie nicht selten (bei Überdosierung oder dem Konsum gepanschter Drogencocktails) auch das eigene Leben [17] [18] [19].
Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Konsum psychoaktiver Substanzen aus Konsumentensicht mit einer hohen intrinsischen Motivation verbunden zu sein scheint, wurde in der durchgeführten Untersuchung besondere Aufmerksamkeit auf die potentiellen positiven Eigenschaften der Substanzen gelegt. Eine solche Nutzenbewertung fand bislang nur in wenigen Expertenrankings Berücksichtigung [1] [5]. Auf diesem Wege konnte auch der häufigen Kritik an ähnlichen Studien begegnet werden, nämlich einerseits die positiven Eigenschaften psychoaktiver Substanzen ausgeblendet sowie andererseits den Einfluss des Legalitätsstatus von Substanzen auf das Schadenspotential nicht einbezogen zu haben [20] [21]. Entsprechend fand neben einer Nutzenanalyse auch der Legalitätsstatus illegaler Substanzen, nicht zuletzt aufgrund der Aktualität hinsichtlich einer Legalisierung von medizinischem Cannabis, in dieser Studie Berücksichtigung. Darüber hinaus wurden auch Gabapentinoide berücksichtigt, die neben den USA zunehmend auch in Europa (u. a. Norwegen, England) unter die Betäubungsmitteverordnungen genommen werden und für die auch in deutschsprachigen Ländern eine Restriktionsdebatte existiert.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte führten wir eine vergleichende Querschnittsstudie zur Bewertung psychoaktiver Substanzen durch deutsche Drogenkonsumenten aus stationären Entzugs- und Rehabilitationskliniken sowie durch deutsche Suchtexperten durch. Die zugrundeliegenden Daten wurden zwischen 2016 und 2018 in Deutschland erhoben und thematisieren sowohl regionale Trends wie auch allgemeingültige Aspekte, darunter das Aufkommen „neuer psychoaktiver Substanzen“ (NPS; bspw. Synthetische Cannabinoide), den zunehmenden Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente (bspw. Gabapentinoide) [22] sowie die damals (2017) gerade gestartete Zulassung von medizinischem Cannabis zur Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland.
Ziel dieser Vergleichsanalyse war es, sowohl die Gefahren wie auch die positiven Auswirkungen des Substanzkonsums abzubilden, um auf diesem Wege Informationen über das Suchtpotential, die Entstehung und Aufrechterhaltung von Konsumverhalten sowie daraus ableitbare therapeutische Ansatzpunkte für die Psychoedukationsarbeit zu gewinnen.
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Methodik
Die Datenerhebung dieser Querschnittstudie erfolgte anhand quantitativer Fragebögen in schriftlicher Form und umfasste im Ablauf zwei Befragungsschritte. Dabei diente die erste Befragung (Erhebung 1) der Einschätzung des Schadens und Nutzens psychoaktiver Substanzen, während die zweite Befragung (Erhebung 2) eine Gewichtungsanalyse darstellte, die zur Berechnung einer Gesamtschadensbewertung dieser Substanzen (aus Erhebung 1) nötig war.
In der ersten Erhebung wurden mit Hilfe eines Fragebogens insgesamt 101 deutsche Suchtexperten und (interviewgestützt) 100 deutsche Drogenkonsumenten zu ihrer Einschätzung der Schädlichkeit sowie dem potentiellen Nutzen von 34 psychotropen Substanzen befragt. Die Schädlichkeitsabfrage erfolgte über eine Differenzierung innerhalb von fünf Dimensionen (körperliche, psychische und soziale Schädlichkeit für Konsumenten sowie körperliche/psychische und soziale Schädlichkeit für Andere), die sich durch 16 Kriterien definierten, die bereits in mehreren Studien dieser Art validiert wurden [3] [4] [7] [9]. In den einzelnen Dimensionen erfolgte die Bewertung anhand von 5-Punkte-Skalen („nicht schädlich“, „gering schädlich“, „mittelgradig schädlich“, „sehr schädlich“ und „extrem schädlich“). Das gleiche Bewertungsmuster wurde bei der Frage nach Auswirkungen bei potentieller Legalisierung illegaler Substanzen angewendet.
Der Nutzen bzw. die potentiellen Vorteile der Substanzen wurden anhand einer 3-Punkte-Skala („kein/wenig Nutzen“, „mäßiger Nutzen“ und „viel Nutzen“) bewertet.
Eine Übersicht zur Fragebogenstruktur dieser ersten Befragung ist ▶Abb. Z1 im Zusatzmaterial zu entnehmen.
In der zweiten Erhebung, die an einer weiteren Kohorte von Suchtexperten und Drogenkonsumenten durchgeführt wurde, erfolgte eine Gewichtungsanalyse zur Ermittlung einer durchschnittlichen Gesamtschädlichkeit je einzelner psychotroper Substanz durch Gewichtung relativer Anteile (zwischen 0 und 1) der oben genannten fünf Schädlichkeitsdimensionen. Dieser zweite Befragungszeitpunkt wurde bewusst gewählt, da die erste Befragung bereits so zeitintensiv war, dass sich eine Kombination beider Schritte vermutlich negativ auf die Rücklaufquote ausgewirkt hätte.
Die ermittelten Gewichte je Dimension aus der Experten- und Konsumentenbefragung wurden zunächst mit den Ergebnissen aus dem EU-Ranking [7] verglichen ([Tab. 1]). Darüber hinaus wurde eine Sensitivitätstestung durchgeführt ▶Tab. Z1 im Zusatzmaterial, um die konsensusbasierten Gewichtungen aus dem EU-Rating mit den in dieser Untersuchung ermittelten Gewichten der Experten- und Konsumentenbefragung zu vergleichen, mit dem Ziel eine Aussage über die Validität der Gesamtschädlichkeitsbewertungen der verschiedenen Ratergruppen zu erlangen. Die dabei ermittelten Rangfolgen wiesen auf ein hohes Maß an Übereinstimmungen hin, so dass es sinnvoll erschien die Gewichtungen der West-EU-Suchtexperten für die weitere Auswertung der Konsumentendaten zu verwenden.
Dimensionen |
EU-Rating* |
Experten-Rating** (N=36) |
Konsumenten-Rating** (N=44) |
---|---|---|---|
Mittelwerte (SD) in % |
|||
Physischer Schaden Konsument |
25,9 |
25,0 (7,0) |
21,3 (9,6) |
Psych. Schaden Konsument |
16,0 |
23,5 (6,6) |
28,3 (13,2) |
Sozialer Schaden Konsument |
11,2 |
20,1 (7,5) |
23,9 (12,6) |
Phys. & psych. Schaden Andere |
11,6 |
13,0 (4,4) |
14,1 (7,4) |
Sozialer Schaden Andere |
35,5 |
18,3 (7,7) |
12,3 (7,5) |
* Konsensus-basiert [7], ** ad hoc (Kohorte 2); erhebliche Unterschiede wurden grau hinterlegt.
Zur Berechnung der Gesamtschädlichkeit einer Substanz wurde am Beispiel der EU-Gewichtungen wie folgt vorgegangen: Gesamtschädlichkeit=„Physische Schädlichkeit für Konsument“×0,259+„Psychische Schädlichkeit für Konsument“×0,16+„Soziale Schädlichkeit für Konsument“×0,112+„Physische/psychische Schädlichkeit für Andere“×0,116+„Soziale Schädlichkeit für Andere“×0,355 siehe ▶ Zusatzmaterial, Abb. Z1.
Expertenbefragung
Die deutschen Suchtexperten mussten über eine mindestens fünfjährige Erfahrung in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und mindestens über einen Facharztstatus verfügen.
Die Befragung der Kohorte 1 fand von März 2016 bis September 2017 statt. Die Rekrutierung erfolgte über die Verbreitung der Fragebögen auf verschiedenen psychiatrischen Kongressen, Symposien und die Bundesdirektorenkonferenz sowie über persönliches Anschreiben an bekannte, in Kooperation stehende psychiatrische Kliniken. Von den in Umlauf gebrachten Fragebögen wurden 122 zurückgesendet wovon 101 nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien für die weitere Auswertung verwendet werden konnten. Den Experten wurde freigestellt, zu welchen Substanzen sie Angaben machten, wobei je Substanz Angaben zur bisherigen Erfahrung im beruflichen Kontext („keine/wenig“, „mäßig“, „viel“) gemacht werden sollten. Auf diese Weise konnte die Validität der Bewertungen beurteilt und die definierten Ausschlusskriterien überprüft werden.
Von der Auswertung ausgeschlossen wurden Substanzen mit weniger als 60% Rückmeldungen oder der Angabe mangelnder klinischer Erfahrung. Dies führte zum Ausschluss der Substanzen Ayahuasca, Kratom und Khat. Weiterhin führten eine fehlende Rückgabe sowie ein nachträglicher Rückzug der Einwilligung zum Ausschluss.
Die zweite Expertenrekrutierung (Kohorte 2) erfolgte per E-Mail an 40 Leiter deutscher suchtmedizinischer Zentren im Zeitraum von September 2017 bis Mai 2018. Von den 36 zurückgesendeten Fragebögen konnten alle in die Studie eingeschlossen werden. Das Verhältnis der Teilnehmer aus Akutkliniken versus Rehakliniken lag bei 75:25%.
Für detailliertere Hintergründe zur Expertenbefragung siehe Bonnet et al. [2].
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Konsumentenbefragung
Einschlusskriterien für die Gruppe deutscher Drogenkonsumenten waren allem vorangehend das Vorliegen einer Abhängigkeitserkrankung nach den Kriterien der ICD-10 [23] bzw. DSM-IV TR III [24], ein gutes deutsches Sprachverständnis sowie ein ausreichendes kognitives Verständnis gemessen anhand eines MMST>24 Punkten. Weiterhin musste eine schriftliche Einwilligungserklärung zur Teilnahme vorliegen. Zum Ausschluss führten hingegen akute Intoxikations- und Entzugszustände, ein vorzeitiger Abbruch der Befragung oder ein nachträglicher Rückzug der Einwilligung.
Um die angestrebte Anzahl von 100 verwertbaren Konsumentenfragebögen zu erreichen, wurden insgesamt 117 Interviews durchgeführt. Sechs der interviewten Konsumenten lehnten eine Aufnahme in die Studie ab, drei Fragebögen konnten wegen Unvollständigkeit bei vorzeitigem Abbruch nicht verwendet werden und weitere acht Teilnehmer schieden aufgrund eines MMST<25 Punkten aus.
Die erste Befragung deutscher Drogenkonsumenten (Kohorte 1) erfolgte (in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Deklaration von Helsinki) im Zeitraum von März 2017 bis Januar 2019. Für die Durchführung der Studie lag ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vor.
Die Teilnehmer waren im Befragungszeitraum entweder Patienten in stationärer akuter Entzugsbehandlung (Evangelisches Krankenhaus Castrop-Rauxel) oder in stationärer Langzeit-Rehabilitationstherapie (salus Salus groß oder klein-Klinik Castrop-Rauxel), wobei das Verhältnis der Konsumenten aus Akut- versus Rehakliniken mit 75:25% wie in der Expertengruppe verteilt war.
Die Konsumenten konnten/sollten lediglich die Substanzen beurteilen, mit denen sie selbst bereits Konsumerfahrungen gemacht hatten. Dies führte zu einer deutlich geringeren Antwortquote je Substanz, so dass der Cut-off zum Ausschluss niedriger gewählt wurde. Ausgeschlossen wurden demnach Substanzen mit weniger als 6% (N<6) Konsumentenbewertungen aufgrund mangelnder Konsumerfahrungen. Entsprechend mussten die Substanzen Ayahuasca, Khat, Kratom, Barbiturate, Cathinone, Propofol, Z-Drugs, GHB, natürliche Halluzinogene sowie die nicht-opioidergen Analgetika (Triptane, NSAID und Flupirtin) von der weiteren Auswertung ausgeschlossen werden ([Abb. 1]).


Die zweite Erhebung (Kohorte 2) zur Ermittlung der durchschnittlichen Gesamtschädlichkeit durch Gewichtung der fünf Schädlichkeitsdimensionen erfolgte zum Ende der ersten Befragung (November 2018 bis Januar 2019) im selben stationären Patientenpool. Alle 44 Fragebögen konnten eingeschlossen werden. Zusätzliche Validierungs- und Sensitivitätstests wurden wie zuvor beschrieben in der Konsumenten- und Expertengruppe durchgeführt.


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Pseudoanonymisierung
Gemäß der Einverständniserklärung erfolgte die Zusicherung, dass keine personenbezogenen Daten über die Studienteilnehmer veröffentlicht werden. Die Identität der Teilnehmer wurde anonym gehalten, mit Ausnahme von Angaben zum Alter und Geschlecht sowie in den Expertenbefragungen weiterführende Informationen zur ausgeübten Fachrichtung, Jahren an Berufserfahrung sowie dem Tätigkeitsschwerpunkt (Akut- oder Rehabilitationseinrichtung). Aus der Konsumentenbefragung wurde eine umfassende Suchtanamnese, die Angaben zur Soziobiographie sowie zu den möglicherweise vorhandenen Komorbiditäten für die Auswertung verwendet[1].
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Datenanalyse/Statistik
Die Eingabe und Auswertung der Daten erfolgte mit dem statistischen Analyseprogramm IBM SPSS Statistics in den Versionen 25.0 und 27.0 [25] [26].
Neben deskriptiven Analysemethoden zur Ermittlung absoluter und relativer Häufigkeiten sowie Mittelwerten und Standardabweichungen kamen inferenzstatistische Verfahren zur Anwendung. Es wurden Gruppenvergleiche mittels Welch-korrigierter t-Tests, Mann-Whitney-U- bzw. Wilcoxon-Rangsummentests durchgeführt, wobei ein Signifikanzkriterium von p<0,01 verwendet wurde.
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Ergebnisse
Teilnehmercharakteristika und Substanzen
In die erste Datenerhebung (Kohorte 1)[2] flossen nach Kontrolle der Ein- und Ausschlusskriterien insgesamt die Fragebögen von 100 Konsumenten und 101 Drogenexperten ein. In die zweite Erhebung (Kohorte 2)[3] wurden weitere 44 Konsumenten und 36 Experten eingeschlossen. In beiden Beurteilergruppen wurden die Substanzen Ayahuasca, Khat und Kratom von der weiteren Auswertung ausgeschlossen; in der Konsumentenbefragung mussten zusätzlich die Barbiturate, Cathinone, Propofol, Z-Drugs, GHB, natürliche Halluzinogene sowie die nicht-opioidergen Analgetika (Triptane, NSAID und Flupirtin) ausgeschlossen werden, da nicht genügend Rückmeldungen vorlagen.
Eine Beschreibung der Expertenstichprobe wird bereits in der Arbeit von Bonnet et al. [1] [2] vorgenommen, so dass an dieser Stelle darauf verzichtet wird.
Eine Übersicht der Konsumentencharakteristika inklusive der Drogen- und Behandlungsanamnese sowie eventueller Komorbiditäten sind in den [Tab. 2] [3] [4] dargestellt.
Charakteristikum |
Kohorte 1 (N=100) |
Kohorte 2 (N=44) |
|
---|---|---|---|
Alter in Jahren |
Mittelwert (SD) |
35,9 (10,4) |
38,5 (10,8) |
Geschlecht |
Weiblich |
25% |
11,4% |
Männlich |
75% |
88,6% |
|
Staatsangehörigkeit |
Deutsch |
80% |
|
nicht deutsch |
20% |
||
Familienstand |
Ledig |
76% |
|
feste Beziehung/verheiratet |
9% |
||
geschieden/getrennt lebend |
15% |
||
Kinder |
Ja |
31% |
|
Wohnsituation |
Alleinlebend |
51% |
|
mit Lebenspartner/-in |
15% |
||
mit Eltern |
19% |
||
Schulabschluss |
Keiner |
27% |
|
Volks-/Hauptschulabschluss |
37% |
||
Realschule/Mittlere Reife |
25% |
||
Abitur/Hochschulreife |
11% |
||
Berufsausbildung |
keine fachliche Ausbildung |
58% |
|
abgeschl. Fachausbildung |
40% |
||
abgeschl. Hochschulstudium |
1% |
||
Berufstätigkeit |
ohne Arbeit |
75% |
|
Monatliches Nettoeinkommen |
<500 € |
58% |
|
500–1000 € |
16% |
||
1000–2500€ |
21% |
||
2500–5000€ |
4% |
Drogen- und Behandlungsanamnesen |
Kohorte 1 (N=100) |
Kohorte 2 (N=44) |
|
---|---|---|---|
Behandlungsanlass (auch Mehrfachnennungen) |
Heroin |
47% |
59,1% |
Opioid. Substitut |
10% |
11,4% |
|
Kokain |
31% |
34,1% |
|
Alkohol |
24% |
18,2% |
|
Cannabis |
40% |
18,2% |
|
Amphetamine |
22% |
13,7% |
|
Benzodiazepine |
24% |
29,5% |
|
Sonstiges |
11% |
4,6% |
|
Anzahl Anlass-Substanzen |
1 |
21% |
|
2 |
39% |
||
3 |
29% |
||
4-7 |
11% |
||
Qual. Entgiftungen? |
ja |
94% |
|
Langzeittherapien |
keine |
31% |
|
1 |
27% |
||
2 und mehr |
42% |
||
Ambulante Nachsorge? |
ja |
36% |
Komorbiditäten |
Kohorte 1 (N=100) |
Kohorte 2 (N=44) |
|
---|---|---|---|
Keine Komorbidität |
15% |
47,7% |
|
Psychiatrische Komorbidität |
Depression |
36% |
34,1% |
Suizidversuche |
32% |
||
Angststörungen/PTBS |
8% |
13,6% |
|
ADHS |
7% |
||
Schizophrenie |
4% |
2,3% |
|
Somatische Komorbidität |
Hepatitis C-Infektion |
27% |
|
Asthma/COPD |
20% |
||
Gastrointestinale Erkrank. |
17% |
||
Muskuloskelettale Erkrank. |
17% |
||
Herz-Kreislauf-Erkrank. |
13% |
||
Erkrank. des Nervensystems |
13% |
Die Teilnehmer der Kohorte 1 waren mit 75% mehrheitlich männlich. Das Altersspektrum rangierte zwischen 18 bis 67 Jahren, wobei das Durchschnittsalter bei M=35,9 Jahren (SD=10,4) lag.
Die meisten Entzugsbehandlungen erfolgten zur Entgiftung von Opioiden (57%), davon überwiegend von Heroin (47%) und ein geringerer Anteil von opioidergen Substituten (10%). Weiterhin strebte ein großer Teil den Entzug von Cannabis (40%), Kokain (31%), Benzodiazepinen (24%) und Alkohol (24%) an. Bei etwa 80% der Teilnehmer handelte es sich um einen Mischkonsum von zwei oder mehr Substanzen gleichzeitig, von denen eine Entgiftung angestrebt wurde. Keiner der Teilnehmer strebte eine Entgiftung von verschreibungspflichtigen Analgetika oder von Gabapentinoiden an [27]. Die Mehrheit der Teilnehmer (94%) hatte bereits eine oder mehrere qualifizierte Entzugsbehandlungen durchgeführt und etwa 70% bereits eine oder mehrere Langzeittherapien (Entwöhnungsbehandlungen) absolviert. Nur etwa ein Drittel der Teilnehmer hatte eines ambulante Nachsorge absolviert.
Komorbiditäten lagen bei 85% aller Konsumenten vor, davon wurden am häufigsten Depressionen (36%), Hepatitis C (27%) und COPD (20%) berichtet.
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Sensitivitätstestung: Einfluss der Anwendung „eigener Gewichtung“ versus EU-Gewichtung auf die Rangordnung?
Mittels Sensitivitätstestung (▶Tab. Z1 im Zusatzmaterial) wurde die Gesamtschädlichkeit unter Verwendung der konsensusbasierten Gewichtungen aus dem EU-Rating mit den Gewichtungen durch Kohorte 2 der Konsumentenbefragung ([Tab. 1]) und Expertenbefragung [2] verglichen. Demnach waren die aus den jeweiligen Umfragen abgeleiteten Gewichtungen insgesamt sehr ähnlich. Insofern sind die Ergebnisse bezogen auf die Gesamtschädlichkeit der einzelnen Substanzen miteinander vergleichbar. Um die Ergebnisse besser in den internationalen Kontext einordnen und miteinander vergleichen zu können, orientierten wir uns in der vorliegenden Studie an den konsensusbasierten Gewichtungen der europäischen Arbeitsgruppe [7].
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Validitätsprüfung – Schädlichkeitsbeurteilungen nach Erfahrung mit der Substanz
Bei der Abfrage der einzelnen Substanzen anhand der Substanzliste im Fragebogen wiesen die Konsumenten ein unterschiedliches Maß bisheriger Konsumerfahrungen auf, so dass es sinnvoll erschien zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Erfahrung und den Schädlichkeitsbeurteilungen der entsprechenden Substanzen besteht. In diese Untersuchung flossen nur Substanzen ein, die mit „mäßiger“ oder „viel“ Erfahrung beurteilt wurden und bei denen in beiden Kategorien eine Fallzahl von mindestens N>6 (6%) erreicht wurde ([Abb. 3]). Wir fanden keine signifikanten Mittelwertunterschiede in den durchschnittlichen Bewertungen einer Substanz zwischen den Konsumenten mit „mäßiger“ gegenüber „viel“ Erfahrung.


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Konsumenten-Einschätzung der Gesamtschädlichkeit einer Substanz
Die Gesamtschädlichkeit der einzelnen Substanzen wurde aus der Summe der Werte aus den fünf Dimensionen, jeweils multipliziert mit dem prozentualen Anteil (Gewichtung) berechnet. Die Gesamtschädlichkeitseinschätzung durch die Experten wurde bereits in Bonnet et al. [1] [2] gezeigt. Die Konsumentenbewertungen zur Gesamtschädlichkeit sowie die fünf einzelnen Dimensionen sind in ▶Abb. Z2–Z6 im Zusatzmaterial dargestellt.
Die höchste Gesamtschädlichkeit wurde den traditionellen illegalen Drogen Heroin, Kokain/“Crack“ und Methamphetaminen zugeordnet. Ähnlich hohe Rangplätze nehmen Amphetamine und „neue psychoaktive Substanzen“ (bspw. synthetische Cannabinoide) ein. Im Mittelfeld sind Alkohol, Benzodiazepine, Cannabis, LSD/Meskalin, Nikotin, Ecstasy und die Opioid-Analgetika (sowie Methadon/Levomethadon (L-Polamidon) angesiedelt. Ein eher geringes Schädlichkeitspotential wurde dem Opioid Buprenorphin und den Gabapentinoiden (Gabapentin/Pregabalin) zugesprochen. Methadon/Levomethadon sowie Buprenorphin werden zur Entzugs- und Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen eingesetzt. Am unteren Rand des Rankings waren auch Methylphenidat und Ketamin angesiedelt ([Abb. 4]).


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Vergleichende Einschätzung der Gesamtschädlichkeit einer Substanz – Konsumenten vs. Experten
Zunächst erfolgte ein Vergleich zwischen Experten und Konsumenten hinsichtlich der Schädlichkeitsbewertungen in den fünf einzelnen Dimensionen (▶Abb. Z7–Z11 im Zusatzmaterial). Anschließend wurden die Einschätzungen der Gesamtschädlichkeit über die fünf Dimensionen beider Beurteiler-Gruppen miteinander verglichen ([Abb. 5]). Zur besseren Vergleichbarkeit erfolgte die Ermittlung der Gesamtschädlichkeit für beide Gruppen unter Anwendung der Gewichtung gemäß dem „EU-Rating“ [7]. Insgesamt wird deutlich, dass die Beurteilungen der beiden Gruppen relativ ähnlich sind. Sowohl Konsumenten wie auch Experten stuften die traditionellen illegalen Substanzen (Heroin, Kokain/Crack und Amphetamine) am schädlichsten ein, wohingegen die häufig zu medizinisch-therapeutischen Zwecken genutzten Substanzen (Buprenorphin, Gabapentinoide[4], Ketamin) am wenigsten schädlich bewertet wurden.


Bei der Bewertung von Heroin, Kokain/Crack, Nikotin, Cannabis und Alkohol zeigten sich keine signifikanten Mittelwertsunterschiede in der Gesamtschadensbeurteilung zwischen den beiden Gruppen. Demgegenüber ergaben sich signifikante Mittelwertsunterschiede bei der Bewertung von Codein, Methadon/Levomethadon (L-Polamidon), Benzodiazepinen und Amphetaminen, die über die fünf Dimensionen von den Konsumenten als schädlicher beurteilt wurden. Der Konsum von Ketamin wurde hingegen von Experten als gefährlicher eingestuft.
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Gesamtschädlichkeit – Vergleich nach Therapieform der Konsumenten
Beim Vergleich der Konsumenten hinsichtlich der Therapieform im Sinne einer Akut- (75% der Konsumenten) oder Langzeitentgiftungstherapie (25% der Konsumenten) ergaben sich ähnliche Antworten hinsichtlich der Gesamtschädlichkeit ([Abb. 6]) bei allerdings sehr unterschiedlichen Bewerterzahlen je Substanz.


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Konsumenten-Einschätzung zum durchschnittlichen Gesamtnutzen einer Substanz
[Abb. 7] zeigt die Einschätzung des Substanznutzens durch die Konsumentengruppe geordnet nach dem Anteil „kein Nutzen“. Demnach wurde ein hoher Nutzen erwartungsgemäß den verordnungsfähigen Medikamenten wie den Gabapentinoiden, Buprenorphin, Benzodiazepinen und Methadon/Levomethadon (L-Polamidon) zugeschrieben. Auch Cannabis wurde ein hoher Nutzen attestiert. möglicherweise begründet durch den fortschreitenden Einsatz als Medizinprodukt und die zunehmende Verharmlosung durch Diskussionen einer möglichen Legalisierung.


Demgegenüber attestierten die Konsumenten den synthetischen Cannabinoiden den geringsten Nutzen bei zugleich hoher Schädlichkeitsbewertung ([Abb. 4] [5]) und den häufig beschriebenen negativen Konsumerfahrungen mit dieser Substanzgruppe.
Widersprüchlich erscheinen die relativ hohen Nutzenbewertungen für Crack, LSD/Meskalin und Heroin, da diese Substanzen bei der Schädlichkeitsbeurteilung zuvor mit einem hohen Risiko einhergingen.
Die Einschätzung zum Gesamtnutzen aus Expertensicht wurde in Bonnet et al. [1] gezeigt.
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Vergleichende Einschätzung der Nützlichkeit einer Substanz – Konsumenten vs. Experten
Beide Beurteilergruppen attestierten den verordnungsfähigen Substanzen (Gabapentinoide, Methadon/L-Polamidon, Buprenorphin, Benzodiazepine) einen deutlich größeren Nutzen als den traditionellen illegalen Drogen. Signifikante Mittelwertunterschiede ergeben sich bei der Nutzenbewertung zum Konsum von Nikotin, Cannabis, Amphetaminen, Ecstasy, Kokain, Crack, Heroin, LSD/Meskalin und psychotropen Pilzen, deren Nutzen durch die Konsumenten größer beurteilt wurde als durch die Experten ([Abb. 8]).


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Vergleichende Nutzen/Risiko-Analyse – Konsumenten vs. Experten
Setzt man die durchschnittliche Gesamtschädlichkeit einer Substanz in Beziehung zu dem Anteil von Bewertungen der Stufe „wenig Nutzen“ zeigt sich, dass Substanzen, die als besonders schädlich bewertet wurden, erwartungsgemäß mit einem geringen Nutzen einhergehen (bspw. Heroin, Kokain) ([Abb. 9]; rechter oberer Quadrant), während Substanzen mit geringerem Schädlichlichkeitspotential ein höherer Nutzen attestiert wurde (bspw. opioiderge Analgetika, Gabapentinoide, Buprenorphin, Benzodiazepine) ([Abb. 9]; linker unterer Quadrant). Für die Substanzen Alkohol, Cannabis, synthetische Cannabinoide, Methadon/L-Polamidon und Buprenorphin konnten im Gruppenvergleich sehr ähnliche Bewertungen gezeigt werden. Demgegenüber beurteilten die Experten den Nutzen von Amphetaminen, Crack, Ecstasy, Heroin, Ketamin, Kokain, LSD/Meskalin, Methamphetaminen, Nikotin und psychotropen Pilzen deutlich geringer als die Konsumenten, während diese den Nutzen verschreibungspflichtiger Substanzen (bspw. opioiderge Analgetika) schwächer bewerteten.


Auffällig ist zudem, dass die Konsumenten keine Substanz in die Kategorie „hohe Gesamtschädlichkeit“ und „geringer Nutzen“ einordneten ([Abb. 9]; rechter oberer Quadrant).
Die zugrundeliegenden Daten befinden sich in ▶Tab. Z2 im Zusatzmaterial.
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Vergleichende Einschätzung der Gesamtschädlichkeit illegaler Substanzen bei potentieller Veränderung des Legalitätsstatus
Bei vergleichender Einschätzung eines potentiellen Legalisierungseffektes bewerteten die Konsumenten die Substanzen in ihrer Gesamtschädlichkeit unter Annahme der Legalisierung als deutlich geringer. Besonders deutlich wird dies bei den Beurteilungen von Crack, Ecstasy, LSD/Meskalin, Methamphetaminen, psychotropen Pilzen und synthetischen Cannabinoiden, für die sich signifikante Mittelwertsunterschiede ergeben. Gegenläufige Tendenzen zeigen sich lediglich in den Beurteilungen des Schadenspotentials von Heroin, welches von den Konsumenten weiterhin als besonders schädlich eingestuft wurde (Abb. 10). Im Hinblick auf Cannabis waren sich Konsumenten und Experten einig: Eine Legalisierung würde das Schadenspotential von Cannabis nicht ändern.
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Diskussion
Bei dieser Studie handelt es sich um eine der ersten Untersuchungen, die das Risiko und den Nutzen psychotroper Substanzen vergleichend zwischen Drogenkonsumenten und Suchtexperten gegenüberstellt. Insbesondere ist es diesbezüglich die erste im deutschsprachigen Raum. Hierbei wurden aktuelle Entwicklungen von Konsummustern berücksichtigt, entsprechend fanden auch bislang selten bzw. vormals nicht untersuchte Substanzen wie synthetische Cannabinoide, Opioid-Analgetika und Gabapentinoide Berücksichtigung.
Beide Beurteilergruppen bewerteten die Gesamtschädlichkeit der traditionellen illegalen Substanzen Heroin, Kokain/Crack und Methamphetamin als besonders hoch, dicht gefolgt von synthetischen Cannabinoiden, Alkohol und Benzodiazepinen. Im Mittelfeld des Schadensrankings wurden Cannabis, Nikotin, opioiderge Analgetika, Methadon/L-Polamidon und psychotrope Pilze[5] eingestuft. Die geringste Schädlichkeit wurde Gabapentinoiden, Buprenorphin und Ketamin zugeschrieben.
In den Grundzügen ähneln die Ergebnisse dieser Studie den bislang bekannten internationalen Schädlichkeitsrankings. Ausnahmen ergeben sich allerdings für die Bewertung von Alkohol, dem in bisherigen Expertenrankings das größte Schadenspotential attestiert wurde [3] [5] [7] [9] [13]. Zwar zählt Alkohol auch im aktuellen Ranking zu den Substanzen mit großem gesundheitsschädlichen Risiko, jedoch wird anhand dieser Bewertung die Dissonanz zwischen der Gesamtschädlichkeit und der gesetzlichen Drogenregulation besonders deutlich [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [28]. Weitere Unterschiede dieser Studie im Vergleich zu Vorstudien ergeben sich bei der Bewertung von Ketamin, welches in früheren Expertenrankings im Mittelfeld platziert wurde [3] [6] [7], hingegen im aktuellen Ranking als eine vergleichsweise am wenigsten gesundheitsschädliche Substanz beurteilt wurde. Ursächlich für die im Vergleich zu früheren Untersuchungen weniger kritische Bewertung von Ketamin könnten dessen antidepressive Wirkung [29] sowie vielversprechende suchtmedizinische Studienresultate sein (z. B. potentielle Anti-Craving Wirkung und Abstinenzförderung verschiedener Substanzen) [30].
Erstmalig wurden auch Gabapentinoide in einer Risiko/Nutzen-Analyse berücksichtigt.
Betrachtet man die wenigen Konsumentenstudien [10] [11] [12] [13], so fällt auf, dass die Bewertung von Cannabis in diesen als weniger schädlich ausfällt als in der aktuellen Studie, die Cannabis sowohl aus Konsumenten- wie auch Expertensicht auf einem mittleren Schädlichkeitsniveau einstuft, kongruent zu den bisherigen Expertenrankings [3] [5] [7] [9].
Die Therapieform der Konsumenten (Akutklinik vs. Rehabilitationsklinik) scheint keinen Einfluss auf die Gesamtschadensbewertung zu nehmen.
Neben der reinen Schädlichkeitsbeurteilung wurde auch der potentielle Nutzen der Substanzen einbezogen, da insbesondere aus Konsumentensicht – aber auch aus therapeutischer Betrachtungsweise – einige der bewerteten Substanzen bei der Affekt- und Antriebsregulation eingesetzt werden. Entsprechend wurde den meisten verordnungsfähigen Substanzen ein günstiges Risiko/Nutzen-Profil attestiert. Die befragten Drogenkonsumenten ordneten den größten Substanznutzen den Gabapentinoiden, Methadon/L-Polamidon und Buprenorphin zu. In früheren Konsumentenbewertungen wurden auch die Vorteile von Alkohol, Tabak und Cannabis betont [5] [11] [13].
Der geringste Nutzen wurde Experten den traditionellen illegalen Substanzen (Heroin, Kokain/Crack, Amphetamine) zugeschrieben. Ebenso erhielten Alkohol und Nikotin eine geringe Nutzenbewertung. Vergleichend fiel die Bewertung für Heroin, Kokain/Crack sowie Cannabis und Nikotin seitens der Konsumenten deutlich positiver aus. Dieser Trend wird besonders anschaulich bei Betrachtung des Streudiagramms ([Abb. 9]) mit gänzlich fehlender Konsumentenbewertung in der Kategorie „hohe Schädlichkeit“ bei gleichzeitig „geringem Nutzen“. Hierfür kann ein zugrundeliegender spezifischer „user bias“ angenommen werden, der aus einer hedonischen Dysbalance des dopaminergen mesolimbischen Belohnungssystems [16] aufgrund vergangener Konsumerfahrungen resultiert („attraction bias“, ähnlich dem „valence or hedonic tone bias“ von Emotionen). Diese Betrachtungsweise, im Sinne einer Voreingenommenheit der substanzabhängigen Person, kann als Erklärungsansatz für das Verlangen und die affektive Entscheidungsfindung eines Rückfalls nach erfolgreicher Abstinenz herangezogen werden.
Viele der aktuellen Suchttheorien befassen sich mit solchen impliziten Kognitionen von Substanzabhängigen, die durch einen wiederholten Konsum entstehen und aufrechterhalten werden. So unterstützen auch unsere Befunde die aktuell favorisierte Hypothese zur Suchtgenese, dass eine wiederholte Belohnung/Verstärkung des Substanzkonsums einerseits eine Sensibilisierung fronto-limbischer Netzwerke vermittelt, woraufhin substanzbezogene Reize sowohl emotional wie auch motivational bevorzugt betrachtet werden („attention bias“, „attraction bias“), andererseits aber auch eine Hemmung kognitiver Kontrollfunktionen (im Sinne suchtabhängiger exekutiver kognitiver Dysfunktion) verursachen [33] [34] [35]. Die Behandlung dieser Fehlbewertungen/Exekutivleistungsstörungen ist eine besondere Herausforderung in der Therapie inklusive Psychoedukation von Substanzabhängigen [36].
Einfluss von Erfahrung und Neigung
Während im Expertenranking auch Hinweise auf die Gefährlichkeit des nicht-medizinischen Konsums verschreibungspflichtiger Medikamente zu finden sind, waren Konsumerfahrungen bei Drogenkonsumenten (im stationären Entzugs- bzw. Entwöhnungssetting) nicht weit verbreitet. Ebenso wenig wurden Angaben zum schädlichen Gebrauch von Barbituraten, Propofol, Kratom, Ayahuasca und Khat gemacht. Unter den verschreibungspflichtigen Medikamenten lagen die meisten Erfahrungen für Pregabalin (12%) vor.
In der Gesamtheit wurden die häufigsten Konsumerfahrungen (>50%) für Nikotin, Cannabis, Alkohol, Kokain/Crack, Heroin, Amphetamine und Methadon/L-Polamidon berichtet. Mit Ausnahme von Methadon/L-Polamidon fielen die Gesamtschädlichkeitsrankings für diese Substanzen ähnlich denen der Experten aus. Hinsichtlich der Methadonbewertung ergibt sich jedoch eine Auffälligkeit dahingehend, dass die Suchtexperten den Gebrauch signifikant weniger schädlich bewerteten als die Konsumenten. Als ursächlich kann eine Bewertungsverzerrung der Suchtexperten im Sinne eines sogenannten „treatment bias“ [37] angenommen werden, wonach insbesondere der positive Behandlungs- und Mortalitätsrisiko-mindernde Effekt dieser Substanz bei Opioidabhängigen Einfluss nimmt.
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Einfluss durch potentielle Legalisierung
Unter der Vorstellung einer Änderung des Legalstatus fand eine Änderung in der Risikobeurteilung im Sinne einer Reduktion der Gesamtschädlichkeit dieser Substanzen statt. Solche Einschätzungen könnten durch die Annahme begründet sein, dass bei legaler Verfügbarkeit einer aktuell illegalen Droge justitielle Belastungen der Konsumenten, insbesondere durch Betäubungsmitteldelikten wie Erwerb und Besitz von illegalen Drogen abnehmen würden. Die Kriminalität zur Beschaffung der Geldmittel zum Kauf der Drogen dürfte sich hingegen nicht nennenswert ändern, wenn legal verfügbare Drogen mindestens so teurer sind wie bislang auf dem Schwarzmarkt [38]. Im Hinblick auf die körperliche Gefährdung besteht die Erwartung, dass staatlich lizensierte Drogen nicht mit gesundheitsgefährdenden Kontaminationen „gestreckt“ sind. Insbesondere bei Heroin wird ein Teil des Schadens nicht durch die pharmakologische Wirkung der Droge, sondern durch die Applikation unter unhygienischen Bedingungen hervorgerufen, z. B. durch „needle-sharing“ mit dem Risiko der Infektion mit Hepatitis B und C. Möglicherweise erwarten Konsumenten und Experten hier eine Minderung der Gesamtschädlichkeit bei Veränderung des Legalstatus.
Im Hinblick auf das von der jetzigen Bundesregierung verfolgte Ziel, eine gesetzliche Grundlage für die legale Verfügbarkeit von Cannabis zum Freizeitkonsum zu schaffen, ist es von Interesse, dass weder Konsumenten noch Experten Änderungen des Gefährdungspotentials von Cannabis unter Annahme einer Legalisierung erwarteten. Dieser Befund ist besonders valide, da in beiden Beurteilergruppen über 50% zu Cannabis eine Bewertung abgaben, also klinische Erfahrungen mit Cannabiskonsumenten bzw. Konsumerfahrungen hatten. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass Cannabis von beiden Gruppen in der Gesamtschädlichkeit nur in einem mittleren Bereich eingeordnet wurde. Dies begrenzt ohnehin den Effekt einer Veränderung des Rechtsstatus auf die Gesamtschädlichkeitsbewertung von Cannabis. Zudem bewerteten Drogenkonsumenten die soziale Schädlichkeit von Cannabis im unteren Mittelfeld und als deutlich niedriger als bei Heroin, Kokain/Crack und Methamphetamin (Zusatzmaterial, ▶Abb. Z4 und Abb. Z9). Sofern eine Änderung des Legalstatus von Cannabis zum Ziel hat, die soziale Folgeschäden des Konsums von Cannabis, z. B. durch justitielle Belastung von Konsumenten, zu mindern, so könnte auf der Basis dieser Daten kritisch angefragt werden, als wie intensiv die Strafverfolgung in Hinblick auf Cannabis tatsächlich von Drogenkonsumenten erlebt werden. Methodisch limitierend ist allerdings, dass nicht differenziert nach dem Einfluss der Änderung des Legalstatus einer Droge auf die verschiedenen Schadens-Dimensionen gefragt wurde. So wäre denkbar, dass z. B. unter den Folgeschäden des Konsums von Cannabis die Einschränkung der Erfüllung von sozialen Rollen von den Antwortenden berücksichtigt wurde. Sofern Drogenkonsumenten hier Probleme wahrnehmen, dürften diese sich nicht per se dadurch vermindern, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis nicht mehr grundsätzlich strafbar ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchung von Drogenkonsumenten (mit vorrangig opiatbezogenen Störungen) dürfen allerdings nicht einfachhin auf die Gesamtheit von u.U. auch sporadischen Freizeitkonsumenten von Cannabis übertragen werden. Die hier untersuchten Drogenkonsumenten werden mutmaßlich die Schädlichkeitsbewertung von Cannabis relativ zu ebenfalls von dieser Gruppe konsumierten Drogen wie Heroin und Kokain vorgenommen haben. Auch ist bei einer klinischen Stichprobe eher zu erwarten, dass es zu gesundheitlichen (körperlichen und psychischen) Problemen wie z. B. psychotisches Erleben durch den Konsum von Cannabis gekommen ist, die durch den Wechsel des Legalstatus von Cannabis nicht als weniger gravierend bewertet werden. Bei sporadischen Freizeitkonsumenten von Cannabis ohne den durch Konsumerfahrung mit anderen illegalen Drogen impliziten Vergleich sowie ohne gesundheitliche Folgeschäden könnte die Bewertung der Gesamtschädlichkeit, insbesondere auch speziell der sozialen Schädlichkeit, anders ausfallen als bei einer klinischen Stichprobe von Drogenkonsumenten.
Die in unserer Arbeit gezeigte Bewertung der möglichen Änderung des Schadenspotentials von Cannabis nach Legalisierung divergiert mit der Einschätzung von Fach-Gesellschaften [39]. Allerdings sind die hier gezeigten Ergebnisse (soweit wir wissen) die ersten empirischen zu dieser Thematik gewonnen Daten im deutschsprachige Raum. Unsere Ergebnisse sollten durch weitere, möglichst repräsentativere – eventuell von der Bundesregierung geförderte – Studien überprüft werden.
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Limitationen der Studie
Bei der Konsumentenstichprobe handelte es sich um eine Zufallsauswahl von Patienten, die sich zum Erhebungszeitpunkt zur stationären qualifizierten Entzugsbehandlung im Evangelischen Krankenhaus oder zur Entwöhnungsbehandlung in der salus-Klinik in Castrop-Rauxel aufhielten. Die Teilnehmer stammten überwiegend aus dem Ruhrgebiet, was die Repräsentativität der Studie auf die westdeutsche Metropolregionen eingrenzt (Selektions-Bias). Entsprechend sind die Beurteilungen zu einzelnen Substanzen kritisch zu hinterfragen, da z.T. deutliche regionale Unterschiede hinsichtlich der Verbreitung und Verfügbarkeit psychotroper Substanzen bestehen. Beispielsweise wird Methamphetamin überwiegend in östlichen und süd-östlichen Regionen Deutschlands nahe der Grenze zu Tschechien konsumiert [40]. Zur Relativierung dieser Problematik ist jedoch auf die Sensitivitätstestung zu verweisen, bei der die Ergebnisse der Gesamtschadensrankings von Experten und Konsumenten mit den EU-Gewichtungen [7] verglichen wurden. Dabei veränderte die Anwendung der von West-EU-Experten ermittelten Gewichte ([Tab. 1]) die Rangfolge der von den Experten [2] und Drogenkonsumenten (Zusatzmaterial, ▶Tab. Z1) ermittelten Schadenspotentiale je Substanz nicht relevant. Entsprechend entschied man sich bei der Auswertung der Daten dieser Studie zur Anwendung der EU-Gewichtungen, nicht zuletzt um dadurch eine bessere Vergleichbarkeit mit verfügbaren Studien zu ermöglichen. Darüber hinaus ermöglicht diese Vorgehensweise die Einbettung der aktuellen Studie in den internationalen Kontext.
Weiterhin ist auf die geringe Antwortquote zu einzelnen Substanzen in der Konsumentenbefragung zu verweisen. Dies war die Folge der Regel, dass Konsumenten nur Angaben zu Substanzen machen sollten, mit denen sie durch persönlichen Konsum Erfahrung hatten. Entsprechend wurde bei den Konsumenten eine Substanz von der weiteren Analyse ausgeschlossen, wenn weniger als 6% (N<6) der Befragten eine Bewertung aufgrund von persönlichem Konsum abgegeben hatten. In der Expertengruppe wurden hingegen nur diejenigen Substanzen ausgeschlossen, bei der weniger als 60% der Befragten angaben, klinische Erfahrungen mit entsprechenden Konsumenten gehabt zu haben, Die klinische Erfahrung mit Konsumenten entsprechender Substanzen wurde als breiter angenommen als die Erfahrung des individuellen Drogenabhängigen mit verschiedenen Substanzen. Folglich mussten einige Substanzen (Ayahuasca, Khat, Kratom, Barbiturate, Cathinone, Propofol, Z-Drugs, GHB, natürliche Halluzinogene, Triptane, NSAID und Flupirtin) gänzlich von der Konsumenten-Bewertung ausgeschlossen werden, während wiederum andere so wenige Konsumenten-Bewertungen erhielten (bspw. Methamphetamine, Methylphenidat), dass die daraus gewonnenen Ergebnisse kritisch hinterfragt werden müssen. Als besonders valide können die Einschätzungen für Nikotin, Cannabis, Kokain, Alkohol, Heroin, Methadon/L-Polamidon und Amphetamine gelten, da mehr als die Hälfte (>50%) der Konsumenten und Experten dazu Angaben machten.
Da die qualifizierte Entzugsbehandlung bzw. die Entwöhnungsbehandlung auf freiwilliger Basis stattfand, ist eine gewisse Verzerrung der Beurteilungen im Vergleich zu einer nicht-klinischen Stichprobe anzunehmen, da möglicherweise negative Erfahrungen mit bestimmten Substanzen (z. B. Kontrollverluste, Psychosen, Angst-/Panikattacken) Teil der Motivation waren, eine stationäre Behandlung aufzunehmen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass Therapieeffekte Einfluss auf die Bewertungen hatten. Die Befragung in Form eines Interviews durchzuführen, bot den Vorteil, dass allen teilnehmenden Konsumenten gleiche Voraussetzungen geboten wurden, allerdings können Interviewer-Effekte und eine Verstärkung einer Verzerrung zur Antwort nach sozialer Erwünschtheit [41] bei den Konsumenten nicht ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt ist die hohe Nutzenbewertung einiger Substanzen bei gleichzeitig bekanntem hohen Schadenspotential möglicherweise auf eine kognitive Verzerrung zurückzuführen („attraction bias“). Auch die lange Interviewzeit (ca. 60-90 Min.) könnte zu Motivation und Antwortverhalten beeinflusst haben. Ebenso kann bei den Experten von einer gewissen Voreingenommenheit, bedingt durch positive Therapieeffekte („treatment bias“) der therapeutisch nutzbaren Substanzen, ausgegangen werden, die insbesondere bei der im Vergleich zu den Konsumenten signifikant weniger schädlichen Bewertung von Methadon durch die Experten deutlich wird.
Schließlich soll betont werden, dass in dieser Arbeit Mittelwertdarstellungen gezeigt werden. Die hier gezeigten Ergebnisse erlauben deshalb keine Rückschlüsse auf Einzelfälle bzw. spezielle Fälle, bei denen jede individuelle Substanz (also auch diejenigen die hier als „weniger gefährlich“ eingeschätzt wurden) – in Abhängigkeit (i) vom Kontext[6] und von der Funktionalität des Konsums, sowie (ii) von der individuellen Vulnerabilität und der Komorbidität der konsumierenden Person – ein deutlich anderes Nutzen/Risiko-Verhältnis entfalten kann.
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Laut Konsumenten und Experten besitzen die illegalen Substanzen Heroin, Crack/Kokain, Methamphetamin und synthetische Cannabinoide das größte Schädlichkeitspotential bei gleichzeitig geringem Nutzen.
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Vergleichend wurden Methadon/Levomethadon (L-Polamidon) und Benzodiazepine von Konsumenten signifikant gefährlicher eingeschätzt als von Experten(„treatment bias“) .
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Alkohol und Benzodiazepine gehören ebenfalls zu den gefährlicheren Substanzen laut Konsumenten und Experten.
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Cannabis und psychotrope Pilze befinden sich im unteren Mittelfeld und Gabapentinoide am Ende der Gefährdungsrangordnung laut Experten und Konsumenten.
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Hinsichtlich des Substanznutzens bewerteten Konsumenten traditionelle illegale Drogen einschließlich Cannabis und psychotrope Pilze ebenso wie Nikotin als signifikant nützlicher als die Experten („attraction bias“).
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Erfahrungen mit Opioid-Analgetika sind nur von wenigen Konsumenten berichtet und sind von diesen hinsichtlich ihres Risiko/Nutzen-Profils ähnlich den Expertenurteilen eingeordnet worden.
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Weder Konsumenten noch Experten erwarten eine Änderung der Schädlichkeit von Cannabis nach Legalisierung des Freizeitgebrauchs.
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Ethikerklärung
Die Studie erfolgte in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Deklaration von Helsinki und wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland, genehmigt. Von den Teilnehmern wurde vorab eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt. Die erhobenen Daten wurden vor der weiteren Verarbeitung pseudoanonymisiert.
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Autorenbeiträge
A-KK: Verfassen des Artikels, Datenerhebung. MS: Analyse der Daten. NS: Konzeption. UB: Konzeption und Design. Alle Autoren: Interpretation der Daten, kritische Überarbeitung, Lektorat.
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Interessenkonflikt
N. Scherbaum erhielt Honorare für verschiedene Aktivitäten (z. B. Mitgliedschaft im Beirat, Vorträge, Manuskripte) von AbbVie, Camurus, Hexal, Janssen-Cilag, MSD, Medice, Mundipharma, Reckitt-Benckiser/Indivior und Sanofi-Aventis. In den letzten drei Jahren hat er an klinischen Studien teilgenommen, die von der Pharmaindustrie finanziert wurden. Alle weiteren Autoren haben bezüglich dieses Artikels keine Interessenkonflikte anzugeben.
Danksagung
Wir danken allen Patienten und ärztlichen Kollegen (siehe Bonnet et al. 2020 [1], 2022a [2]) für die Teilnahme an dieser Studie. Auch danken wir den Mitarbeitern Auch danken wir den Mitarbeitern des „Therapiezentrums“ (Stationen 13 und 14 der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des EVK-Castrop-Rauxel) sowie der Leitung und den Mitarbeitern der salus-Klinik Castrop-Rauxel (Rehabilitationsklinik für Drogenkranke) für die Mithilfe bei der Patientenrekrutierung. Darüber hinaus gilt unser Dank Frau Jennifer Haverkemper, MSc (Psychologie) für ihre Unterstützung bei der Fragebogenentwicklung für Kohorte 1. Besonders danken wir auch Frau Lührmann, Chefsekretärin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel, für die Organisation der Korrespondenz mit den ärztlichen Kollegen.
1 Bei Auswahl der Ausschlusskriterien wurde berücksichtigt, dass die Compliance bezüglich der Beantwortung der Fragen zu den einzelnen Substanzen bei den Konsumenten deutlich geringer als bei den Experten sein würde. Deshalb wurde bei den Konsumenten eine Bewertung von Substanzen ausgeschlossen, die weniger als 6 % Rückmeldungen hatten. In der Expertengruppe wurden diejenigen Substanzen ausgeschlossen, die weniger als 60 % Rückmeldungen hatten. Wieso die Anmerkungen nicht in den Fließtext?
2 jeweils getrennt für Experten und Konsumenten
3 jeweils getrennt für Experten und Konsumenten
4 Eine differenzierte Darstellung der Gruppe „Gabapentinoide“ mit getrennter Darstellung der Einzelsubstanzen Gabapentin und Pregabalin wird im Zusatzmaterial in den Abbildungen Z2-Z11 gezeigt.
5 In diesem Kontext wird in der Regel die gute Tolerierbarkeit und Sicherheit des Konsums von psilocybinhaltigen Pilzen assoziiert und weniger die viel stärkere Toxizität (mit lebensgefährlichen Komplikationen) durch amatoxinhaltige Pilze, z. B. Fliegenpilzen [31] [32].
6 So besitzt Pregabalin offenbar im Kontext der JVA ein besonders hohes Gefährdungspotential. Beispielsweise berichtet Dr. Marcot: „In der Schweiz (und in Frankreich) sind die Konsumenten von Pregabalin meist junge Männer, die in prekären Verhältnissen leben oft als Migranten aus Nordafrika stammen, und die alle schon andere Drogen genommen hatten. Im Maghreb sind illegale Betäubungsmittel schwerer zugänglich, so dass die Konsumenten auf Medikamente zurückgreifen. Vor allem unter dieser Bevölkerungsgruppe gibt es zur Zeit eine heftige Pregabalin-Mode, die das Clonazepam abgelöst hat, das einige Jahre lang der Blockbuster war. Bei uns machte sich der Wandel um 2018 herum bemerkbar. Pregabalin scheint wegen der Euphorie (im Arabischen hat es den Spitznamen "Rakete") begehrt zu sein. Ein Teil von den Konsumenten begann, chemische Substanzen (Klebstoffe, Benzin usw.) zu inhalieren, bevor sie, fast immer auf der Straße gekauft, die Medikamente Benzos, Trihexyphenidil und jetzt Pregabalin einnahmen. In Schweizer Gefängnissen wurden viele Kollegen mit der erheblichen Aggressivität (oft verbal) konfrontiert, die in der Nachfrage nach Pregabalin zum Ausdruck kam. Die durch dieses Molekül hervorgerufene Enthemmung erleichtert, meines Erachtens, wie bei Clonazepam, heteroaggressive (und autoaggressive) Handlungen, was in Gefängnissen manchmal ein großes Problem darstellt. Psychopharmaka dieser Art werden auch eingesetzt, wenn Straftaten (Diebstahl, Körperverletzung) von den Tätern begangen werden, um es zu schaffen, ihre Angst zu überwinden und die Straftat zu begehen. Einige begehen Straftaten um die Sucht zu finanzieren, andere nehmen addictive Substanzen um überhaupt Straftaten begehen zu können, andere machen, weil sie unter Drogeneinfluss stehen, einen Delikt ohne es vorher geplant zu haben. Und im Gefängnis zu sein (isoliert, gestresst, unter Druck gesetzt, usw.) ist Drogenkonsum noch begehrter. Ich bin mir bewusst, dass es gewagt ist gar kein Pregabalin zu geben, aber wenn die Insassen wissen, dass es trotzdem einen Weg zu dem Molekül gibt, werden sie's versuchen, und es wird immer diejenige geben die alle Risiken eingehen werden um es zu bekommen (falsche Epilepsieanfälle, Suiziddrohungen oder Versuche). Wenn sie allerdings wissen, keiner hat es und es wird sowieso nicht verschrieben, ist es auch ruhiger. Es geht auch darum, ihnen den « Treibstoff » für Enthemmung und Gewalt zu entziehen… Die Substanzen gelangen durch Häftlinge die ins Gefängnis ankommen (z. B. in Anus, Vagina oder in Rachenfalten verstecken, manche bringen auch Spritzen auf dieser Weise im Gefängnis), durch Besuche, von außen geworfen, manchmal durch Vollzugsbeamte (die sind nicht sehr gut bezahlt in Frankreich) oder anderes Personal in das Gefängnis. Medikamente, die dem einen gerechtfertigt verschrieben wurden, werden manchmal von anderen gestohlen, manchmal unter Bedrohungen, authentisch kranke Häftlinge werden von anderen beauftragt, sich ein bestimmtes Medikament verschreiben zu lassen. Im Gefängnis hat das Medikament oft zwei Funktionen: eine pharmakologische und eine wirtschaftliche, und es ist schwierig, die beiden Funktionen zu unterscheiden. Der Schwarzmarkt im Gefängnis ist im Vergleich zur Außenwelt ein sehr profitabler Markt, daher wird man auch als Mediziner unter hohem Druck gesetzt, Rezepte auszustellen, die dann gehandelt werden.“ Persönliche Mitteilung von Dr. Dominique Marcot [42] [43].
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 28 August 2022
Accepted: 27 October 2022
Article published online:
15 December 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart,
Germany
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