Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(9): 624-631
DOI: 10.1055/s-2007-990211
Fachwissen
Topthema: Kinderanästhesie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das aspirationsgefährdete Kind - Rapid Sequence Induction im Kindesalter

Rapid Sequence Induction in pediatric anesthesiaKarin Becke, Jürgen Schmidt
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Publikationsdatum:
04. September 2007 (online)

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Zusammenfassung

Die Narkoseeinleitung eines aspirationsgefährdeten Patienten stellt für den Anästhesisten eine besondere Herausforderung dar. Das anästhesiologische Management beim erwachsenen Patienten beeinhaltet traditionell neben Strategien zur Vermeidung einer pulmonalen Aspiration vor allem die rasche, kompetente Sicherung der Atemwege ohne Gefährdung des Patienten durch Hypoxie.

Die in der Erwachsenenanästhesie etablierte Rapid Sequence Induction (RSI) kann aus einigen Gründen nicht auf aspirationsgefährdete Kinder übertragen werden. Zudem stehen viele Anästesisten vor dem Problem, daß Kinder seltene Patienten in ihrem Klinikalltag sind und durch die fehlende Routine Hektik und Nervosität in der Situation Einzug halten, was im Weiteren zu Komplikationen führen kann.

Einheitliche Richtlinien zum anästhesiologischen Management aspirationsgefährdeter Kinder liegen derzeit nicht vor. Der Wissenschaftliche Arbeitskreis Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin DGAI hat daher zum Thema RSI eine Handlungsempfehlung auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungen, systematischer Literaturrecherche und klinischer Erfahrung von Experten erarbeitet.

In Anlehnung an diese Handlungsempfehlung soll im folgenden praxisnah das Management des "nicht-nüchternen Kindes" besprochen werden, um dem Leser die Umsetzung in eigene, hausinterne Algorithmen zu erleichtern.

Summary

The induction of anesthesia in patients who are at risk for pulmonal aspiration is a challenge for the anesthetist. The anesthesiological management of adult patients includes strategies to avoid pulmonal aspiration in addition to a rapid, competent protection of the airway without the danger of hypoxia.

The well established Rapid Sequence Induction (RSI) in adults cannot be transmitted to children for some reasons. Furthermore many anesthetists are confronted with the problem, that children are unfrequent patients in their clinical everyday life, with the lack of routine bustle and nervousness find their way in these situations, which can lead to further complications.

Consistent recommendations concearning the anesthesiological management of children at risk for pulmonal aspiration do not yet exist. The "Wissenschaftlicher Arbeitskreis Kinderanästhesie" of the "Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" has elaborated recommendations based on scientific investigations, systemic literature review and clinical experience of experts. According to these recommendations, the anesthesiological management of children at risk for pulmonal aspiration will be reviewed in the following, in order to simplify the implementation of individual institutional algorithms.

Kernaussagen

  • Die Aspirationsgefahr im Kindesalter ist etwas höher als bei Erwachsenen.

  • Die Morbidität einer Aspiration im Kindesalter ist gering. Nur wenige Kinder benötigen eine kurzfristige Respiratortherapie, und es existiert in der Literatur keine Mortalität nach Aspiration.

  • Die klassische RSI im Erwachsenenalter kann wegen physiologischer Besonderheiten nicht auf Kinder übertragen werden.

  • Kinder sind durch kleine Sauerstoffspeicher bei gleichzeitig hohem Sauerstoffverbrauch hypoxiegefährdet.

  • Auch beim aspirationsgefährdeten Kind ist eine medikamentöse Prämedikation angezeigt - sie schafft eine ruhige Einleitungssituation.

  • Die Anästhesie beim nichtnüchternen Kind wird immer intravenös eingeleitet, eine Maskeneinleitung ist streng kontraindiziert.

  • Die meisten Aspirationen ereignen sich während der Laryngoskopie/Intubation durch inadäquate Narkosetiefe: Kinder husten, würgen, pressen und erbrechen schließlich.

  • Die Oxygenierung des Kindes steht im Vordergrund. Eine vorsichtige Maskenbeatmung mit einer Drucklimitierung bei 10-12mbar gilt als sicher und führt nicht zur Insufflation des Magens.

  • „Time is not the matter”: Entscheidender Faktor für die Verhinderung der pulmonalen Aspiration ist die endotracheale Intubation in adäquater Anästhesie und vollständiger Muskelrelaxierung (Relaxometrie!).

  • Succinylcholin soll nur noch in echten Notfallsituationen zur Anwendung kommen.

Literaturverzeichnis

Dr. med. Karin Becke

eMail: Karin.Becke@nbg.diakonieneuendettelsau.de

Dr. med. Jürgen Schmidt

eMail: Claudia.Hoehne@medizin.uni-leipzig.de.